An den Rand geschoben

Anknüpfend an den „Black History Month“ finden in diesem Jahre zum ersten Mal die „Black Community Weeks“ statt, mit Vorträgen, Kochkursen, Partys und Rassismuskritik

VON BERNHARD HÜBNER

Das Wort wirkt wie ein Schlag: „Neger“. Das Wort grenzt aus. Aber bei manchen hat sich inzwischen ein ironisch-lockerer Umgang mit dem Begriff durchgesetzt. Das Satire-Magazin Titanic fragte im vergangenen Jahr auf seiner Titelseite, ob der Bundespräsident denn „immer ein Mann oder eine Frau“ sein müsse, und versah ein Bild von Roberto Blanco mit dem Spruch: „Wieso nicht mal ein Neger?“. Die Berliner Volksbühne zeigte das Bernard-Marie-Koltès-Stück „Der Kampf des Negers und der Hunde“ und bewarb es, indem sie der Provokation halber auf ein Transparent über dem Eingang groß „Neger“ schrieb.

Grada Ferreira projiziert das Zeitschriften-Cover und das Volksbühnen-Programm an die Wand. Viele Zuhörer schütteln den Kopf, einige von ihnen waren selbst gegen die Volksbühnen-Aufführung aktiv. Die Psychologin, die an der Humboldt-Universität lehrt, hält in einem Seminarraum in der Werkstatt der Kulturen in Neukölln einen Vortrag, der mit „Don’t call me Neger“ prägnant überschrieben ist. Es geht um Rassismus, wie auch sonst ziemlich häufig bei den Black Community Weeks.

Zum ersten Mal seit fünf Jahren findet wieder eine solche Veranstaltungsreihe statt. Bis 1999 gab es den Black History Month, in Anlehnung an die gleichnamige Festival-Tradition in den USA. Jetzt hat ein neues, jüngeres Team den traditionsreichen Faden wieder aufgenommen. Die Black Community Weeks erstrecken sich über drei Wochen, mit einer Mischung aus Partys, Workshops und Vorträgen. Es gibt Kurse in „Schminken für schwarze Frauen“ oder für „afrikanisches Kochen“, Theater-Workshops, Filme und eine afrobrasilianische Party im Muvuca, der brasilianischen Kneipe im Mehringhof, am kommenden Sonnabend. Die meisten Angebote richten sich an Menschen aller Hautfarben. Nur als die „Nation of Islam“ am vergangenen Sonnabend am Rande der Reihe zu einer Veranstaltung einlud, bei der sie Reparationszahlungen für die afrikanische Diaspora forderte, galt das ausschließlich für „schwarze Menschen“.

Für Eleonore Wiedenroth-Coulibaly von der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD) fängt der Rassismus schon in der Schule an. Bei ihrem Vortrag deutet sie auf eine Weltkarte: So eine, wie sie in der Schule verwendet werde. Afrika liegt dort am unteren Rand, der Äquator verläuft im unteren Drittel der Karte. „Es ist schwierig, diese Sehgewohnheiten auszublenden“, so Wiedenroth-Coulibaly.

Auch im Geschichtsunterricht werde Afrika stiefmütterlich behandelt, erst ab der Zeit der Kolonialisierung setzt der Lehrplan ein: So, als habe es davor dort nichts gegeben. Doch ihrem Publikum müsste sie das eigentlich nicht erzählen. Sieben Zuhörer haben sich im kleinen Seminarraum eingefunden: Drei sind dunkelhäutig und erwachsen, die anderen weder Schulkinder noch Lehrer. So bleibt die Diskussion im Anschluss mau.

Beim Vortrag von Grada Ferreira dagegen ist der Raum voll, obwohl er in englischer Sprache ist. Ein Viertel der Zuhörer sind weiß. Die Mehrheit des dunkelhäutigen Publikums ist in Deutschland geboren, aber viele sind auch erst vor wenigen Jahren zugezogen. Auch ihnen konnte Grada Ferreira bei ihrem Vortrag nicht recht erklären, warum mit dem N-Wort hierzulande so leichtfertig umgegangen werde: Als ob es keine Geschichte der Diskriminierung gegeben habe, die sich auch hier mit dem Begriff verbindet.

Wenn jemand einen Schwarzen als „Neger“ beschimpfe, werde die historische Unterdrückung wieder zum Leben erweckt, sagt Grada Ferreira. Der Beleidigte werde zum Sklaven, der Beleidiger zum Kolonialherren. Ferreira benutzt viele solche Bilder, sie spricht immer wieder vom „Trauma“ und den „körperlichen Schmerzen“. Nicht alles davon klingt für jedermann schlüssig.

„Das Wort ist doch nicht schuld“, meint eine weiße Zuhörerin. „Damit wäre ich aber sehr vorsichtig“, schreit eine schwarze junge Frau, sie ist noch keine 30, die Kritikerin an. „Ich bin schon jetzt in diesem Moment beleidigt.“ Die Luft in dem schmalen Raum wird schlechter, die Stimmung hitziger. Dabei ist die Diskussion uralt und das Ergebnis absehbar. „Wir werden zu Unterdrückten, wenn wir die Fremdbeschreibung der Rassisten übernehmen“, meint Ferreira.

Aber was ist die Alternative? Der Veranstalter der Black Community Weeks, Andreas Hartwig, würde gerne in die Offensive gehen: „Wie nennen wir uns selbst? Afro-Deutsche? Schwarze? Wir müssen die Diskussion übernehmen und von uns aus etwas anbieten“, fordert er die Runde auf. Die Debatte aber bleibt aus: „Wir müssen gar nichts anbieten“, blockt Ferreira ab. „Wir haben alle unsere Namen. Wie jemand genannt werden will, bestimmt er selbst.“ Wie sie damit den übermächtigen, im alltäglichen Sprachgebrauch eingeübten Fremdbeschreibungen entgehen will, erklärt Ferreira nicht.

Ein Zuhörer meint: „Wir müssen ja nicht eine Gemeinschaft mit einer Meinung sein.“ Das bleibt auch 2004 der kleinste gemeinsame Nenner der Community. Die einzige Gemeinsamkeit ist weiter die real erfahrene Ausgrenzung.

Bis zum 28. Februar. Programm unter: www.total-blackout.de