Dauerhaft vertagt

Verleger und Journalisten streiten sich seit über 15 Monaten – nach wie vor ohne Ergebnis. Dementi und Provokationen peppen die Diskussionen auf

VON THILO KNOTT

Wieder ein Verleger, der die streikenden Redakteure „versteht“. Vergangene Woche schon hatte Bruno Schnell, Verleger der Nürnberger Nachrichten, per Leitartikel im eigenen Blatt „Verständnis“ gezeigt. Jetzt soll sich auch Peter Esser, Herausgeber der Mittelbayerischen Zeitung in Regensburg, zu Wort gemeldet haben. Er fände es unmöglich, dass der Verlegerverband versuche, den Manteltarifvertrag zu verschlechtern. Er habe es auch den Verantwortlichen vom Bund Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) mitgeteilt.

So jedenfalls frohlockte Ver.di am Montag während der siebten Verhandlungsrunde in Frankfurt am Main in einer Pressemitteilung. Er habe das nicht gesagt, erklärte gestern Esser, „größtmögliches Dementi“. In der Berliner Ver.di-Zentrale heißt es, die streikenden Redakteure in Regensburg hätten die Zitate Essers durchgegeben. „Der hat wohl Druck bekommen und einen Rückzieher gemacht.“ Der Betriebsrat der Mittelbayerischen Zeitung wiederum hat – „nichts gehört“. Was stimmt denn nun?

Solch Petitessen zieren den langen Weg dieser Tarifrunde in der Zeitungsbranche. Der Manteltarifvertrag, der die Arbeitsbedingungen von 14.000 Redakteuren regelt, ist schon seit über 15 Monaten von den Verlegern gekündigt. Die Redaktionen sind seit 20 Tagen im Ausstand – 2.000 Journalisten pro Tag. Auch die siebte Verhandlungsrunde wurde ohne Ergebnis vertagt.

Neun Stunden lang verhandelten der BDZV und die Gewerkschaften Ver.di sowie Deutscher Journalisten Verband (DJV). Zuerst in großer Runde, danach fünfmal in Zwölf-Augen-Gesprächen. Immerhin kam ein wenig Bewegung in die verfahrene Situation. Zunächst machten am späten Abend die Gewerkschaften ein Angebot, wonach die Gehälter ab Juni um 1 Prozent und um weitere 1,5 Prozent ab Februar 2005 ansteigen sollen. Doch im Zentrum dieser Tarifverhandlungen stehen nicht Löhne, sondern Arbeitsbedingungen. So wurde unterbreitet, das Urlaubsgeld auf 85 Prozent zu senken. Und den Urlaubsanspruch von 35 Tagen zwar gestaffelt beizubehalten, den vollen Anspruch aber nur Redakteuren ab 45 Jahren zu gewähren.

Beide Regelungen sollen allerdings befristet gelten. Und das ist den Verlegern zu wenig. Bei den Gewerkschaften werden fast schon Strichlisten geführt, wie oft BDZV-Verhandlungsführer Werner Hundhausen während der Beratungen „nachhaltig“ und „dauerhaft“ sagt. Also hat der BDZV das Angebot der Gewerkschaft abgelehnt – und selbst eines unterbreitet. Die Verleger wollen das Urlaubsgeld auf 80 Prozent kürzen. Beim Urlaub soll ein Redakteur bis 40 Jahre Anspruch auf 30 Tage Urlaub haben, danach auf 32 Tage. Beim Gehalt schlägt der BDZV eine einmalige Erhöhung zum 1. Juni 2004 um 1,1 Prozent vor.

„Die Unternehmen brauchen dauerhaft spürbare Kostenentlastungen“, erklärte Hundhausen. Doch die Gewerkschaften werteten es als „Provokation“, dass die Verleger auf ihr Angebot nicht eingegangen sind.

Fraglich ist nun, wie es weitergeht. Als nächster Termin ist der kommende Dienstag avisiert. Doch die Gewerkschaften haben Bedenken, weil der Karneval vermutlich die Streikmobilisierung behindert. Und auch die weitere Strategie ist unklar. Innerhalb Ver.dis, der stärkeren der beiden Gewerkschaften, werden mehrere Optionen diskutiert: Soll man den Verlegern weitere Zugeständnisse machen? Oder ist ein tarifloser Zustand immer noch besser als die Einschnitte, die die Arbeitgeber verlangen? Angedacht wird sogar, die Tarifverhandlungen nicht mehr bundesweit weiterzuführen, sondern separat in den Regionen – wie es schon bei den Verlagsangestellten der Fall ist. Diese Lösung hätte die weitreichendsten Folgen: Sie würde den Flächentarifvertrag generell in Frage stellen.