Beton ist keine Sicherheitslösung

Senatsbaudirektor nennt Betonklötze vor der Synagoge in der Oranienburger Straße „ästhetisches Desaster“ und will ab Mai neues Sicherheitskonzept zum Schutz vor Anschlägen entwickeln. Bis dahin bleiben die Betonblöcke

Betonblöcke mitten in Berlin – für den Mann aus dem bayerischen Regensburg ein klarer Fall: „die zweite Berliner Mauer“, ruft Walter Stubenrauch und grinst. Ein echter Bazi kennt seine Pappenheimer, zur Not auch die Berliner. So ganz falsch lag der Bayer gestern auch nicht, als er auf seiner Besichtigungstour vor der Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße plötzlich die Betonwürfel im Blick hatte, die das Tiefbauamt Mitte dort zur Sicherheit vor Anschlägen aufgestellt hat. Berliner Mauern fallen bekanntlich gerne, und genau dies wird nun die vermeintlich „zweite“ tun. Das Sicherheitskonzept zum Schutz des Gotteshauses vor Anschlägen, zu dem die 56 Betonkübel und 36 Poller auf der Fahrbahn gehören, ist bereits Makulatur – obwohl Senatsbaudirektor Hans Stimmann es erst im März entwickeln ließ.

Jetzt heißt die Devise der Senatsbauverwaltung: Weg mit dem Beton, der Bombenattentäter und sonstige terroristische Bedrohungen abwehren sollte. Schließlich handele es sich nicht nur um ein „ästhetisches Desaster“, so Stimmann, sondern auch um „Sicherheitsarchitektur vom Schärfsten“. Grundsätzlich stehe er jedoch hinter den Sicherheitsmaßnahmen. Deshalb will der oberste Bauherr der Stadt mit Sicherheitsexperten des Landeskriminalamtes ab Mai ein völlig neues Konzept entwickeln.

Dass sich der Beton auch zu einem senatsoriginalen Finanzdesaster gemausert hat, passt für einige Passanten vor der Synagoge gut zu ihrem Bild vom Berliner Politbeton. „Eine traurige Dilettantenpolitik ist das“, sagt Helmut Radke, der ebenfalls für einen Kurzbesuch in seine Heimatstadt zurückgekommen ist. „Das hätte man sich im Senat auch früher überlegen können.“

Eine Million Euro haben die Maßnahmen bisher gekostet. So begrüßt auch der Direktor der Stiftung Centrum Judaicum, Hermann Simon, zwar die „überraschende Kehrtwendung“, fragt sich allerdings, warum nicht vorher nachgedacht worden sei. Grund für den Sinnes- und Sicherheitswandel waren Proteste von Anwohnern und Besuchern. Geschäftsleute klagten über Umsatzeinbußen, da Gäste von den Absperrungen abgeschreckt würden.

In der Senatsbauverwaltung ist man mittlerweile auf jeden Fall zu einem Schluss gekommen: „Keiner darf das Gefühl haben, an einer Festung vorbeizugehen“, sagte Stimmanns Sprecherin Petra Reetz. Da eine Verschönerung der Klötze in Form einer Blumenbepflanzung aus Sicherheitsgründen ebenfalls ausscheidet – laut Experten wären das potenzielle Sprengstoffverstecke –, entschied man sich für den Abtransport der Betonblöcke, die so mancher Tourist gar als Stelen des geplanten Holocaust-Mahnmals identifizieren wollte. Eine Möglichkeit für Asyl wäre auch schon gefunden: „In Regensburg haben wir zwar schon den Limes“, sagt Walter Stubenrauch, „aber in meinem Garten hätte ich noch Platz.“ SUSANNE LANG