Wettlauf um die beste Ausgangslage

Die USA einerseits und Russland und Frankreich andererseits streiten um die Aufhebung der Irak-Sanktionen

BERLIN taz ■ Im Streit um die zukünftige Rolle der Vereinten Nationen im Irak geht es jetzt auch um die Aufhebung der ökonomischen Sanktionen gegen das Land. Während die US-Regierung in den vergangenen Tagen mehrfach ein sofortiges Ende der Sanktionen verlangte, zeigten sich Frankreich und Russland, beides ständige Mitglieder des Weltsicherheitsrates, skeptisch. US-Außenamtssprecher Richard Boucher sagte: „Wir werden mit dem Sicherheitsrat arbeiten, um sicherzustellen, dass die Wirtschaftssanktionen, die wegen des Verhaltens von Saddam Husseins Regime erlassen wurden, jetzt aufgehoben werden […], so dass auf die Hoffnungen und Nöte des irakischen Volkes eingegangen werden kann.“

Die Sanktionen wurden im Sommer 1990 eingeführt, nachdem der Irak den Nachbarstaat Kuwait überfallen hatte. Seit 1995 ist es dem Irak gestattet, im Rahmen des so genannten „Oil for Food“-Programms geringe Mengen Öl zu exportieren und dafür, abgewickelt über ein Konto der UNO, humanitäre Güter einkaufen zu können. Seither hat Irak, offiziellen Angaben zufolge, Öl im Wert von rund 27 Milliarden Dollar verkauft.

Die Aufhebung der Sanktionen ist an eine Reihe von Bedingungen geknüpft, deren Erfüllung der UN-Sicherheitsrat feststellen muss, um die Sanktionen auslaufen zu lassen – darunter etwa an den Nachweis, dass der Irak nicht mehr über Massenvernichtungswaffen verfügt. Derzeit liegt dem amtierenden mexikanischen Sicherheitsratsvorsitzenden noch kein Antrag der USA auf Aufhebung der Sanktionen vor. Während der Chef der UN-Waffeninspekteure für den Irak, Hans Blix, darauf besteht, nur sie könnten dem Sicherheitsrat die notwendigen Entscheidungsvorlagen und Grundlagen liefern, haben die USA angekündigt, ein eigenes Inspektionsteam in den Irak schicken zu wollen. Schon befürchten manche Kommentatoren, die US-Regierung könnte nach einem Bericht ihrer eigenen Kontrolleure die Frage der irakischen Massenvernichtungswaffen für erledigt und die Sanktionen damit einseitig für aufgehoben erklären. Immerhin haben die USA ein Interesse daran, große Teile der Wiederaufbauleistungen im Irak, für die sie derzeit Aufträge an US-Firmen vergeben, von Irak selbst über dessen Öleinnahmen finanzieren zu lassen – das geht innerhalb des „Oil for Food“-Programms jedoch nicht.

Tatsächlich stehen hinter den Fragen der UN-Beteiligungsrechte konkrete wirtschaftliche Interessen auch der anderen beteiligten Länder. Solange die Sanktionen bestehen bleiben, hat die UNO und haben damit auch Frankreich und Russland eine Hand auf den Geschäften Iraks. Werden die Sanktionen jetzt schnell aufgehoben, dürften die USA die besten Karten im Spiel haben, während Frankreich und Russland weitgehend leer ausgehen dürften.

Einstweilen aber nutzt die Frage der Sanktionen auch als ein Druckmittel der Vetomächte gegenüber der US-Regierung, um eine stärkere Rolle der Vereinten Nationen beim Wiederaufbau und der zukünftigen Verwaltung und Regierungsbildung im Irak durchzusetzen. BERND PICKERT