Die NPD darf vorerst doch marschieren

Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hob gestern das Demonstrationsverbot des Polizeipräsidiums Bochum auf. Die Richter konnten an dem Motto „Stoppt den Synagogenbau – 4 Millionen fürs Volk“ nichts Antisemitisches finden

BOCHUM taz ■ Eine NPD-Demonstration gegen den Neubau der Bochumer Synagoge stört die öffentliche Ordnung nicht, finden die Richter des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen. „Und wenn, dann nur geringfügig“, sagt der Vorsitzende Richter Hans-Justus Charlier. „Da ist die Versammlungsfreiheit ein höheres Gut.“

Vorerst hat die NPD damit die Erlaubnis bekommen, am 13. und am 20. März durch die Bochumer Innenstadt zu ziehen. „Stoppt den Synagogenbau – 4 Millionen fürs Volk“ wird dann auf ihren Fahnen stehen.

Eine legitime Forderung, findet Hans-Justus Charlier. „Die NPD ist eine zugelassene Partei, deshalb darf sie auch ihre Vorschläge zur Steuerpolitik öffentlich machen.“ Denn nur darum ginge es bei dieser Demonstration. „Die Partei hat sich in ihrem Demonstrationsantrag deutlich von jeglicher Form des Antisemitismus distanziert“, sagt der Richter. „Sie möchten, dass das Geld in Kindergärten und Schulen gesteckt wird und wir haben keinen Anlass, diese Motivation in Zweifel zu ziehen.“

Eben das hat der Bochumer Polizeipräsident Thomas Wenner in seinem Verbot getan. Er sieht in der Demonstration eine Verletzung der Menschenwürde, insbesondere die der jüdischen Mitbürger. „Dass 60 Jahre nach dem Holocaust gegen Synagogen demonstriert wird, muss in Deutschland ein Tabu sein“, sagt auch Dieter Fleskes, Vorsitzender der Bochumer SPD-Fraktion. Das Urteil des Verwaltungsgerichts findet er „beschämend, aber nicht überraschend.“

„Die Stadt Bochum wird weiterhin alles tun, damit diese Demonstration nicht stattfindet“, sagt Fleskes. Damit spricht er nicht nur für die SPD-Fraktion. Vor drei Wochen hatte sich der Stadtrat einstimmig gegen die Demonstration ausgesprochen. „Wir sind uns einig, dass die Demonstration eine unerträgliche Provokation mit antisemitischer Intention ist“, sagt Fleskes.

Die NPD weist das natürlich von sich. „Beweise für eine rechtsradikale und antisemitische Planung der Veranstaltung hat der Polizeipräsident nicht geliefert“, sagt Verwaltungsrichter Charlier. „Das Verbot ist somit unangemessen repressiv.“

Im Polizeipräsidium wird zur Zeit „auf Hochtouren“ an einer Beschwerde gearbeitet. „Wir werden auf jeden Fall vors Oberverwaltungsgericht ziehen“, sagt Michael Bloch, Sprecher der Bochumer Polizei. Die Stadtverwaltung versucht unterdessen, das ebenfalls abgewiegelte Verbot für NPD-Informationsstände zum gleichen Thema für eine Wiederaufnahme beim Oberverwaltungsgericht Münster vorzubereiten. „Das Verwaltungsgericht hat uns informell geraten, straßenrechtliche Gründe anzuführen“, sagt Dieter Fleskes. Ein Armutszeugnis für die deutsche Justiz, wie er findet. „Es muss doch möglich sein, antisemitische Propaganda aus politischen Gründen verbieten zu lassen.“

Es ist möglich: Vor zwei Jahren verbot das Verfassungsgericht eine NPD-Demo in Hamburg, die am Holocaust-Gedenktag stattfinden sollte. Begründung: eine unerträgliche Provokation der Öffentlichkeit.

Wenn das Verbot weiter scheitert, will die Stadt eine Gegendemonstration veranstalten. Auch attac, die Antifa und Bochumer Friedensgruppen haben Protest angekündigt. MIRIAM BUNJES