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Archiv-Artikel

Welten hinter schwarzem Vorhang

Er wählte nicht zufällig den Raben als konstantes Lieblingsmotiv: Die düsteren, von Alfred Kubin beeinflussten Zeichnungen des Karikaturisten Paul Flora sind derzeit im Altonaer Museum zu sehen

Sein erstes großes Vorbild war Alfred Kubin – und eine Düsternis im Heiteren sollte fortan das Erkennungsmerkmal des Zeichners und Karikaturisten Paul Flora bleiben. Das Lieblingstier des 1922 in Glurns im österreichischen Vinschgau geborenen Künstlers ist der Rabe. Ganz im Sinne von Edgar Allen Poes „Raven“ ist auch bei Flora der Rabe ein Meister düsterer Geheimnisse, aber auch ein Symbol der Weisheit und ein gleichwohl unheimlicher, doch treuer Lehrer der Menschen.

Überall in den kleinformatigen Tuscheblättern, die derzeit im Altonaer Museum zu sehen sind, tauchen Raben auf, mit dichten Schraffuren geschwärzte Totenvögel, über die Flora gesagt hat: „Wie viel weiter wären wir, wenn wir die Raben verstehen würden? Was würden sie uns wohl erzählen?“ Schon 1953 erschien Floras erstes Buch im Diogenes- Verlag. Von 1957 bis 1971 arbeitete er als politischer Zeichner für die Zeit, die etwa 3.000 Blätter von ihm druckte. Jetzt zeigt das Altonaer Museum eine Auswahl von insgesamt 180 Arbeiten aus der Sammlung Gerhard Pirchl.

Der Rabe ist Floras Lebensbegleiter geworden, weil er sich – pechschwarz, wie er ist – zur künstlerischen Bearbeitung in der Grafik beinahe aufdrängt. Denn Flora liebt es, seine Blätter schwarz zu füllen, die Welt des Tages zu verlassen und seine Betrachter in die Dunkelheit zu bugsieren. Die Schraffur ist seine Technik, ein dichter Vorhang, hinter dem alles verschwindet, wie bei dem wunderbaren Blatt „Ein Abenteuer im Dschungel“. Ganz schwarz ist es dort, nur eine kleine Feuerstelle beleuchtet den mutigen Abenteurer. Überhaupt sind die Menschen und Tiere oft allein in der Kunst Floras. Da gibt es haufenweise einsame Don Quichotes, die gegen Vogelscheuchen kämpfen, Jäger, die durch Schneelandschaften ziehen – oder eine rappeldürre Katze auf der Piazza San Marco.

Am stärksten ist Flora aber, wenn er auf jede Kolorierung verzichtet und ausschließlich aus dem strengen Tuschestrich Kraft schöpft. Venedig mit seinen Kanälen, seinem Nebel und Dunst wurde zum bevorzugten Ort, zu einer Bühne der Raben, die sich als eigentliche Herren der Stadt gebärden. Im Jahr 1985 hat Flora ihnen mit Die Raben von San Marco ein eigenes Buch gewidmet. Auch in der venezianischen Lagune entstanden Arbeiten von großer Stille und melancholischer Hintergründigkeit. „Dieser Zeichner ist nicht ohne Traurigkeit“, hat Friedrich Dürrenmatt einmal über Paul Flora geschrieben.

Marc Peschke

Di–So 11–18 Uhr, Altonaer Museum, Museumsstraße 23; bis 25.4. Katalog 15 Euro