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Archiv-Artikel

Windeln und Windows vereinbaren

Forschungsprojekt an der Universität Bremen: Wenn Kinder Kinder kriegen. Junge Mütter scheitern nochmal so oft an den normalen Härten des Elternseins. Wissenschaftler fordern Teilzeit-Ausbildungsplätze und mehr Betreuung für die Kleinsten

Bremen taz ■ Selbst den Kinderschuhen kaum entwachsen und schon Mutter – in dieser nicht ganz unkomplizierten Lage befinden sich jedes Jahr in Bremen etwa 300 junge Frauen unter 20 Jahren. Ihnen widmet sich ein Forschungsprojekt namens Mosaik an der Universität Bremen. Unter der Leitung der Humanwissenschaftlerin Marianne Friese soll die Situation der Teenie-Mütter erforscht werden, um ihnen dann maßgeschneiderte Fördermöglichkeiten anbieten zu können.

Unter dem Namen „Bremer Förderkette“ sollen Beratungs- und Bildungseinrichtungen miteinander vernetzt und durch eine Koordinationsstelle verbunden werden. Kettenglieder sind zum Beispiel das Amt für soziale Dienste, der Senator für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales, Freie Träger von Hilfsprojekten, Schulen, Ausbildungsbetriebe und Kinderbetreuungseinrichtungen. Im Zentrum der Bemühungen steht selbstredend der Versuch, den Müttern einen Schulabschluss und eine Ausbildung zu ermöglichen und ihnen schließlich den Weg in die Berufstätigkeit zu weisen.

Dabei hapert es nicht an entsprechenden Angeboten. „Das Problem ist vielmehr, dass diese Ressourcen nicht richtig ausgeschöpft werden, weil die einzelnen Teile nicht ausreichend miteinander kooperieren“, berichtet Friese. Hier setzt das Projekt des Forscherteams an: Es bündelt die Kräfte – erste Anlaufstelle soll aber nach wie vor das Amt für soziale Dienste bleiben.

Junge Mütter, so die Wissenschaftlerin, sind erst recht mit dem Problem aller Eltern konfrontiert: „Kind und Ausbildung oder Beruf sind schwer zu vereinbaren“. Deshalb sieht Friese eine wesentliche Aufgabe des Projektes darin, sich für zeitflexible Arbeitsplätze stark zu machen. Gespräche mit Handelskammer, Handwerkskammer und Arbeitnehmerkammer sollen den Müttern die Möglichkeit verschaffen, ihre Lehre nicht wie üblich innerhalb einer 40-Stunden-Woche, sondern als Teilzeit-Ausbildung zu absolvieren.

Ein anderes Problem ist die Kinderbetreuung: Gerade für die Unter-Dreijährigen stehen kaum Plätze zur Verfügung. Eine teure Tagesmutter können sich die Frauen in der Regel nicht leisten.

Eine junge Mutter berichtet: „Es gibt zwei Wege: Entweder ist man den lieben langen Tag für sein Kind da und ist Sozialhilfeempfängerin, oder man gibt seinen Nachwuchs sechs Stunden am Tag ab und kann im nächsten Jahr in den Urlaub fahren.“ Marianne Friese berichtet, dass 70 Prozent der jungen Mütter Sozialhilfe beziehen – viele stammen selbst aus ökonomisch schwachen Verhältnissen und sind zudem oft alleinerziehend. „Wir möchten die Mütter zu einer eigenständigen, ökonomisch unabhängigen Lebensführung befähigen“, fasst Friese ihr Motiv zusammen. Ein Schritt in die Selbstständigkeit und damit auch zu mehr Selbstbewusstsein. Denn Kinder können eine junge Frau zwar sehr beschäftigen, sie lösen aber nicht die Sinnfrage in ihrem Leben. Sabina Fischer