frau schwab lernt polnisch (1) : Die Stunde der Ermunterung
Die taz macht fit für den Beitritt Polens zur EU am 1. Mai. Lernen Sie Polnisch mit Artur Kolasinski (Lehrer) und Reporterin Waltraud Schwab (Schülerin). Szenen aus dem Klassenraum der Volkshochschule Mitte. Die erste Stunde:
„Herzlichen Glückwunsch, dass Sie sich für Polnisch entschieden haben“, sagt Artur Kolasinski, der Lehrer des Polnischkurses. Mut soll der Satz machen. Der Lehrer gibt uns das Gefühl, etwas Besonderes zu sein, denn wenn es um Polnisch geht, winkten die meisten schaudernd ab, berichtet er. Umso löblicher, dass wir das Risiko eingehen wollen, uns in den phonetischen Irrgarten seiner Muttersprache zu begeben. Dabei, Kolasinskis Worte in Ehren, sei alles ohnehin halb so schlimm. „Nehmen Sie ein Wort wie Szczeczin“, sagt Kolasinski, „vier Konsonanten hintereinander. Klar, da streikt jeder.“ Wer aber wüsste, dass sz gleich sch und cz gleich tsch sei, der hätte ja nur noch zwei Laute zu verkraften, und das erleichtere die Sache doch erheblich. Wir nicken. Ja, das erleichtert es ungemein.
Kolasinski, das steht schnell fest, hat Humor. Diesen versteckt er hinter Ernsthaftigkeit, denn beim Polnischen handelt es sich um eine ernste Sache. Dabei würde er eine Wette eingehen, dass am Ende nur noch die Hälfte von uns dabei ist. Trotzdem, seine Erfahrung lehrt ihn, dass PolnischdebütantInnen ständiger Ermunterung bedürfen. Die hat er parat, obwohl sein Unterrichtstempo uns sogleich auf einen Schleuderkurs bringt, bei dem die Zentrifugalkräfte ein Übriges tun werden, um unsere Lerngruppe zu verkleinern.
Wir, das sind etwa 17 Leute. Genaueres später, denn der Kurs ist im Werden. Von den Anwesenden wollen zwei die Sprache lernen, weil sie deren Klang so toll finden. Das beeindruckt sogar Kolasinski. Die anderen haben polnische Freunde, Ehepartner oder Schwiegereltern, eine Datscha in Polen oder polnisch sprechende Kinder, die sich mit dem polnischen Vater gegen die deutsche Mutter verbrüdern.
Abhilfe naht. Wir müssen die Aussprache üben, sagt Kolasinski und fängt an, rasant schnell aufzulisten: Cz ist tsch wie in Tschaikowsky, dz ist wie dschi in children, sz ist wie sch in Schule, rz und ż sind wie sch in jonglieren. Es gibt Zusatzzeichen, die die Aussprache hart, weich, stimmhaft oder stimmlos machen. Süddeutsche wie ich sind an der Stelle schon verloren. Da, wo ich herkomme, kann niemand (sprechend) zwischen „Sex“ und „sechs“ unterscheiden. „Ach, ich hatte schon mal so eine im Kurs“, meint Kolasinski, „durch Polnisch hat sie das gelernt.“
Wir müssen die Aussprache üben, meint Kolasinski nochmal und gibt uns einen Zettel mit 300 Wörtern, die wir vorlesen sollen. Betonung immer auf der zweitletzten Silbe: komplet, beton, debata, delegat, apetit, sezon, szpalta, szeroko, poza, zabawny … Wir sollen lesen: koomplät, bääton, debaata, däläägat, apäätit, säson, schpaalta, scherooko, pooscha, sabaawni … Unsere Stimmen kommen wie Musik daher. Wie eine Welt, die aus verschlossenen Türen besteht und einen trotzdem umfängt. Wie Diesseits, jenseits der Verständigung.
„Und, war es schwieriger, als Sie es sich vorgestellt haben?“, fragt Kolasinski. Noch völlig erschöpft von der Anstrengung, minutenlang einen fremden Klang zu erzeugen, merkt niemand, dass auch diese Frage nur so beantwortet werden kann, dass wir uns gut fühlen. „Nein, leichter!“ Dann könnten wir ja zur Verbkonjugation übergehen, meint der Lehrer: Ich wohne, du wohnst, er wohnt … ja mieszkam, (miääschkam), ty mieszkasz (miääschkasch), on mieszka (miääschka), my mieszkamy (miäschkaame), wy mieszkacie (miäschkaaschiä), oni mieszkają (miäschkaajong). Nach dem gleichen Muster: lesen – czytać (tschiitatsch) , warten – czekać (tschääkatsch), entschuldigen – przepraszać (pschäpraaschatsch). Wir brechen uns die Zunge daran ab. „Ich hab einen Kumpel, der hat wegen ‚przepraszać‘ Polnisch gelernt. Er konnte nicht glauben, dass es so en Wort gibt. Heute arbeitet er im Bundestag“, ermuntert uns Kolasinski. Polnisch hat Zukunft.
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