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Archiv-Artikel

Denn selig sind die Unwissenden

Die polnische ist die größte katholische Gemeinde in Berlin. Diese Woche wird ihre Kirche in Tempelhof verkauft. Wo die Mitglieder künftig ihre Messen feiern können, ist ungewiss. Bis Ende 2005 will die Kirchenleitung Ersatz bieten

„Die Leute fühlen sich hier wie zu Hause“, sagt Jacek Pajewski, der Pfarrer der polnischen Gemeinde in der Tempelhofer Götzstraße. „Die deutschen Gottesdienste empfinden viele Polen als sehr trocken und formell. Wir sind mehr Intimität gewohnt“, sagt der Gemeinderatsvorsitzende Daniel Kaiser. „In unseren polnischen Messen finden die Leute die Atmosphäre, in der sie groß geworden sind.“

Die Bedeutung, die die katholische Kirche noch heute in Polen genießt, ist auch in Berlin zu spüren: Mit rund 5.000 Besuchern jeden Sonntag ist die polnische die größte katholische Gemeinde der Stadt. Drei polnische Gottesdienste finden sonntags in St. Johannes Capistran in Tempelhof statt, vier weitere in Pfarrkirchen in Spandau, Wedding, Karlshorst und Mitte. Pfarrer Pajewski spricht von einer „sehr lebendigen Gemeinde“.

Nun sind auch die Polen von den Sparmaßnahmen des Erzbistums Berlin betroffen. „Schon im Juni lasen wir in der Zeitung den Preis für unsere Kirche“, sagt Daniel Kaiser. Doch die Kirchenleitung hielt sich bislang mit konkreten Informationen zurück. „Wir wussten weder, wann wir gehen müssen, noch, wohin“, sagt Daniel Kaiser. „Wir wussten nicht einmal, ob wir überhaupt rausmüssen.“

Die katholische Kirche stehe mit ihrem Sanierungsplan unter hohem Zeitdruck, daher könne nicht über jeden Schritt informiert werden, erklärt der Bistumssprecher Stefan Förner. „Genau genommen besteht für die Kirchenleitung so lange keine Notwendigkeit, die Gemeinde zu informieren, bis eine endgültige Entscheidung gefallen ist.“

Die Zeit der Ungewissheit ist nun vorbei. Am Donnerstag erfuhr die Gemeinde, dass noch diese Woche der Verkaufsvertrag über ihre Kirche St. Johannes Capistran unterschrieben wird. Spätestens Ende 2005 wird die Kirchenleitung den Polen eine neue Kirche „mit vergleichbaren Räumlichkeiten“ zuteilen.

Doch nicht nur der Verkauf ihrer Kirche trifft die polnische Gemeinde hart. Die Kirchenleitung kürzt auch stark beim Personal: Ein Priester wurde nach Polen zurückgeschickt. Dem Küster, dem Organisten und einer Sekretärin wurde gekündigt. Die letzte verbliebene Laienstelle teilen sich eine Putzkraft und eine Sekretärin. Doch Pfarrer Pajewski ist optimistisch. Für die Zukunft setzt er auf die Spenden der Kirchenbesucher, um wieder einen Küster und einen Organisten einzustellen.

Im Gegensatz zu anderen Gemeinden haben die Polen weder schwindende Mitgliederzahlen noch fehlenden Nachwuchs zu beklagen. Die Jungen sprechen inzwischen zwar besser Deutsch als Polnisch, so Pajewski. Sie kämen dennoch in den Gottesdienst, weil das ein Stück Tradition für sie bedeute. Mit Abschottung habe das aber nichts zu tun, versichert der Gemeinderatsvorsitzende Kaiser. Eher mit einem Stück Heimat. Deshalb: Mit dem Verkauf von St. Johannes Capistran, wo die Gemeinde seit fast 16 Jahren sitzt, befürchtet Pfarrer Pajewski, dass viele angestammte Kirchgänger den Weg in die neue Kirche nicht mehr finden werden.

WIBKE BERGEMANN