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Archiv-Artikel

Sie gehen hin in Unfrieden

Weil das Katholische Erzbistum sparen muss, leidet so manche Berliner Gemeinde. Bitter für die, die in ihrer Kirche mehr suchen als nur den Gottesdienst. Wie die Friedrichshainer Studentengemeinde

VON WIBKE BERGEMANN

Die Stimmmung erinnert an eine Beerdigung. „Du bist die Wolke, die uns durch die Wüste führt“, singt die Studentengemeinde. Drei Mädchen in der hinteren Bank weinen, die anderen sehen aus, als könnten sie nur schwer die Tränen hinter den kleinen Nickelbrillen zurückhalten. Einige Studenten machen Fotos von ihrem letzten eigenen Gottesdienst.

Seit 1981 ist die katholische Studentengemeinde in der kleinen St.-Nicolas-Gemeinde untergebracht. Umgeben von den hohen Bauten am Frankfurter Tor, wirkt das einstöckige Gemeindehaus wie ein Relikt aus einer anderen Zeit. Nichts deutet darauf hin, dass sich hinter den Mauern ein Innenhof und die kleine Kapelle verbergen. Auf dem Baum im Hof zwitschern die Vögel. Doch im Gottesdienst ist niemandem nach Fröhlichkeit zumute. Es ist der letzte Sonntag an diesem Ort. Denn die Friedrichshainer Studentengemeinde Maria Sedes Sapientiae wird mit der Westberliner Studentengemeinde Thomas Morus zusammengelegt – und künftig in der Pfarrkirche St. Augustinus in Prenzlauer Berg untergebracht.

Etwa siebzig Studenten sind zu dem Abschiedsgottesdienst gekommen. Der Pfarrer zitiert die Feldpredigt aus dem Lukas-Evangelium. Die andere Wange hinhalten? Nicht nur den Mantel, auch das Hemd weggeben? Den Studenten fällt es schwer, sich mit der Fusion abzufinden. „Wir bezweifeln die Synergieeffekte“, sagt Robert, 26. Die beiden Studentengemeinden seien sehr unterschiedlich. „Wir haben uns hier nie als Konsumenten gesehen“, erzählt Robert. „Jeder hat mitgemacht.“ Die Studenten haben die Gottesdienste vorbereitet, die Musik ausgesucht und die Gebetstexte. Statt eines bezahlten Organisten haben wechselnde Gemeindemitglieder für die musikalische Begleitung gesorgt. Im Wintersemester 2002 haben die Studenten auch das Gemeindehaus renoviert. „Durch die gemeinschaftliche Arbeit zu den Gottesdiensten kannte jeder jeden“, sagt Robert. Bei den Westberlinern sei das ganz anders.

Die enge Bindung an ihre Kirche hat die Studentengemeinde nicht zuletzt ihrem Pfarrer zu verdanken. Hanns-Peter Müller steht nach der Messe im Hof und umarmt die jungen Leute, alle duzen ihn. „Hanns-Peter hat sich immer als eine Vertreter der Studenten und nicht der Institution Kirche verstanden.“ Das könne nun anders werden, befürchten viele. Der neue Pfarrer sei nicht ihr Wunschpfarrer.

„Das Ordinariat des Bistums hat uns bei der Planung völlig missachtet. Wir wurden nur spärlich informiert“, schimpft Barbara. Erst vor drei Wochen erfuhr die Studentengemeinde, wann und wohin sie verlegt wird. Pfarrer Müller weiß bis heute nicht, wo er zukünftig arbeiten wird. „Wir hätten einiges klarer darstellen müssen“, gibt Kirchen-Sprecher Stefan Förner zu. Dennoch: Zwei Studentengemeinden seien ein Relikt aus einer geteilten Stadt. Nach den Kürzungen sei es sinnvoller, statt einer „Rumpfversorgung“ an zwei Standorten eine funktionierende Gemeinde aufrechtzuerhalten, so Förner.

Die Friedrichshainer Studenten glauben dagegen, dass ihre Gemeinde auch ohne eine Zusammenlegung überleben könnte. Als klar wurde, dass die bisher drei Mitarbeiterstellen halbiert werden, entwickelten die Studenten ein eigenes Sparkonzept. „Anderthalb Stellen wären ausreichend gewesen“, sagt die 23-jährige Messdienerin Barbara, „weil bei uns die ehrenamtliche Mitarbeit klappt.“ Sogar eine Ortsgemeinde konnten sie ausfindig machen, die die Maria Sedes Sapientiae mit ihren rund 100 Mitgliedern aufgenommen hätte. Ohne Erfolg: „Das Erzbistum hatte fertige Pläne“, meint Barbara, „und daran hat es festgehalten.“