berliner szenen Im Black Girls Coalition

Keine Sicht, aber super

Im Black Girls Coalition in der Samariterstraße in Friedrichshain steppt der Bär. Auf der „Roots“-Party im verdunkelten Hausbesetzerambiente geben sich Drag-Queens die Klinke in die Hand. Man hört Johlen, Kreischen, Pfiffe. Was man sieht, ist zunächst ein schwarzes Loch, vor dem ein Einlasser prüft. „Seid ihr für ‚Roots‘ eingeladen?“, faucht er – oder doch sie. Wir nicken. Drinnen mauern alle. Man schleppt sich durch eine Traube und einen schmalen Korridor. Im Raum links befindet sich die Bühne – und dutzende Rücken vor ihr. Wenn man sich anstrengt, erkennt man durch einige Achselhöhlen hindurch die Lämpchen des DJ-Pults am Rand der Bühne. „Kannste mal ein Stück rücken?“ – „Nee.“ Jemand stellt zwei Stühle in die drangvolle Enge. Zwei kleinere Frauen steigen hinauf. Der Höhepunkt der Sichtblockade ist erreicht. House-Diva Deborah Cox perlt aus den Boxen. Hälse recken sich nach oben. „Siehst du was?“ – „Nee.“ – „Willste noch ein Bier?“ – „Oh Mann, das ist doch noch wärmer als die Luft hier.“ Und genauso feucht.

Noch mehr Leute kommen. Zwei Frauen missverstehen die Kontrollfrage am Eingang. „Bei Ruth? Wir sind hier mit Simone verabredet.“ Sie dürfen trotzdem rein. Menschen beginnen sich aus dem Pulk zu lösen. Sie haben ein erschöpftes, aber erlöstes Gesicht. Sofort springen Gäste mit ungebrochenen Willen, optisch auf ihre Kosten zu kommen, in die Lücke.

Den Hals schräg nach rechts gedreht und, jawoll! – man sieht wenigstens die konsternierte Miene von Gastgeberin Paisley Dalton. Geradezu gelangweilt verfolgt sie die Performance, die sich nur wenige Zentimeter von ihr abspielen muss. Mehr Roots ist heute nicht drin. Aber nachher sagen alle: „Das war super!“

ULF LIPPITZ