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Archiv-Artikel

Selbstbedienung im Jobcenter

Die Essener Agentur für Arbeit hat sich als erste in NRW zum Kundenzentrum umstrukturiert. Internet- und Telefonbetreuung sollen Arbeitsvermittler entlasten und Arbeitslose schneller in den Job bringen

VON KLAUS JANSEN

Arbeitssuchende in Essen müssen umlernen. „Bei uns ist alles neu“, begrüßt sie ein Schild am Eingang der Agentur für Arbeit, „Bitte fragen Sie an der Information nach dem richtigen Weg. Wir möchten nicht, dass sie sich verlaufen“, heißt es weiter. Die Agentur, früher noch bekannt als Arbeitsamt, hat gestern als erste Behörde in NRW ihr neues Organisationskonzept vorgestellt.

Das nach den Vorgaben der Hartz-Gesetze konzipierte „Kundenzentrum“ soll die Arbeitsvermittler entlasten und so eine effizientere Betreuung von Arbeitssuchenden schaffen. „Eine Verkürzung der individuellen Vermittlungszeit von Arbeitslosen um nur eine Woche bedeutet eine Ersparnis von bundesweit 1,2 Milliarden Euro pro Jahr“, rechnet Udo Glantschnig, Geschäftsführer der Essener Arbeitsagentur vor.

Die Reform der Behörde sieht eine dreistufige Betreuung der Arbeitssuchenden vor: 30 bis 40 Prozent der Kunden sollen in weniger als 30 Sekunden an einer Infotheke im Empfang abgefertigt werden. Weitere 50 Prozent der Beratungsgesuche könnten durch kurze Gespräche im Eingangsbereich oder im so genannten Servicecenter bearbeitet werden. Das heißt: Arbeitssuchende gehen per Internet oder Telefongespräch auf Jobsuche. „Das Servicecenter ist eine Art Selbstbedienungsladen“, erklärt Glantschnig. Von den Jobsuchenden werde dadurch mehr Eigeninitiative verlangt – „fördern und fordern“ heißt das nach Hartz.

Künftig werden nur noch 10 bis 20 Prozent der Besucher der Arbeitsagentur ein persönliches Beratungsgespräch mit einem Arbeitsvermittler führen. Dafür soll dann aber mehr Zeit zur Verfügung stehen: „Die Vermittler können sich endlich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren“, sagt Glantschnig. Ein Pilotversuch in Heilbronn habe ergeben, dass die Vermittler nach dem neuen Modell 60 Prozent statt vorher 35 Prozent ihrer Arbeitszeit tatsächlich für die Betreuung der Arbeitslosen nutzen. Auch die durchschnittliche Wartezeit sei von fast einer halben Stunde auf nur sieben Minuten gesunken, berichtet Elmar Zillert von der Heilbronner Arbeitsagentur.

Umstrukturierung, Effizienzsteigerung, schnellere Vermittlung – nicht jeder hält dies für den Königsweg aus der Jobmisere: „Dass sich eine Behörde modernisiert, ist eine Daueraufgabe“, sagt der grüne Essener Bürgermeister Hans Peter Leymann-Kurtz. Eine schnellere Vermittlung beschönige zwar die Statistik, schaffe jedoch nicht einen neuen Arbeitsplatz. „Das ist Schwindel“, sagt Leymann-Kurtz, „Hartz ist eine Katastrophe.“ Schon die ersten Module wie Ich-AG oder die Personalserviceagenturen wie die jüngst insolvent gegangene „Maatwerk“ seien ein „Schuss in den Ofen“ gewesen. „So wird es den kommenden Initiativen auch gehen“, glaubt Leymann-Kurtz.

Zumindest die Behördenleiter glauben an einen Erfolg der Umstrukturierung: „Das Tolle an dieser Reform ist, dass sie von Praktikern gemacht ist“, sagt der Heilbronner Zillert. „Das beweist die Reformfähigkeit der Bundesagentur,“ sagt der Essener Glantschnig. Den Stolz über die Vorreiterrolle seiner Agentur artikuliert er martialisch: „Wir müssen mit der Machete vorne weg marschieren.“ Bis Ende des Jahres sollen ihm alle 180 Arbeitsagenturen folgen.