Rotieren gegen Korruption

SPD-Wirtschaftsstaatssekretär spricht sich bei PDS-Anhörung für regelmäßigen Wechsel in sensiblen Bereichen der Verwaltung aus. Als Vorbild nennt er das Bundeskartellamt

Ein von Schill geschasster Hamburger Polizeipräsident, ein Korruptionsrechercheur, ein für mehr Kompetenzen werbender Innenrevisor, ein reformfreudiger Staatssekretär. Das Podium, das die PDS-Fraktion zum Thema „Korruptionsfall(e) Berlin?“ gestern im Abgeordnetenhaus anbot, hätte mehr als jene 25 Zuhörer verdient. Wobei für PDS-Fraktions- und Landeschef Stefan Liebich schon einleitend feststand: „Der Fehler liegt im System. Man muss vielleicht gar nicht kriminell sein, um Milliardenbeträge zu verbrennen.“

Das sah Justus Woydt ähnlich, früher Polizeipräsident in Hamburg, jetzt Korruptionsbekämpfer bei „Transpareny International“. Die Definition von Korruption – Missbrauch einer amtlichen Funktion, um persönliche Vorteile zu erlangen – sei zu erweitern, etwa auf den weiter gefassten Bereich der „Freundl-Wirtschaft“. Auch der Journalist Werner Rügemer, Experte im Kölner Müllskandal nannte das Wirtschaftsstrafrecht veraltet, forderte „enorme Reformen“.

Auf Bauvorhaben konzentriert sich die Innenrevision der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Ihr Chef Lothar Mewes warb dafür, die Kompetenzen auf andere Bereiche auszuweiten. Gut 30 Kündigungen im öffentlichen Dienst und 60 Strafverfahren hätten er und seine Leute in den vergangenen zweieinhalb Jahren erreicht. „Ich sag mal Erfolg, andere sehen das vielleicht nicht so.“

Größtes Problem sei die lange Verfahrensdauer. Bearbeitet seien die Fälle recht schnell, aber bis zum Verfahren würden vier bis fünf Jahre vergehen. „Da weiß man schon gar nicht mehr, dass einer mal im Amt beschäftigt war.“ Das führe auch dazu, dass andere Mitarbeiter der Verwaltung den Eindruck hätten, die Arbeit lohne sich nicht.

Volkmar Strauch, SPD-Staatssekretär in der PDS-geführten Wirtschaftsverwaltung, sah anders als „Transparency“-Mann Woydt kein Gegenmittel darin, städtische Unternehmen nicht zu privatisieren. „Das Maß der Korruption hängt nicht von der Rechtsform, nicht von der Eigentümerstellung ab. Da sehe ich strukturell keinen Unterschied.“

Interessant: SPD-Mann Strauch lobte die im Politbetrieb vergleichsweise neuen Bündnisgrünen und die PDS. Die hätten frischen Wind in die Korruptionsaufsicht gebracht, weil sie unbefangener und weniger vernetzt die Dinge betrachteten. Hier war er sich mit Woydt einig: Rotation könne Korruption vorbeugen, sagte Strauch und nannte als Beispiel das Bundeskartellamt. Dort gebe es alle drei bis fünf Jahre einen Wechsel. Zugegebenermaßen gehe dabei Erfahrung verloren, doch für Strauch wird das durch die geringere Nähe zwischen Amt und Interessengruppen aufgewogen. Strauch sprach sich dafür aus, dass Staatssekretäre wie sein Exkollege Frank Bielka erst nach einigen Jahren aus ihrem Politikjob in den entsprechenden Bereich bei einem Unternehmen wechseln dürfen. Das soll sich der Staat aber eine „Karenzentschädigung“ kosten lassen.

STEFAN ALBERTI