Auf in den Kampf, Genossen

Die SPD-Spitze spricht zwar von einem Kompromiss zu ihrem umstrittenen Leitantrag. Gerade zu zentralen Punkten wie Privatisierung aber soll es beim Mai-Parteitag Kampfabstimmungen geben

von STEFAN ALBERTI

Sie nennen es einen Kompromiss. „Übereinkunft durch gegenseitige Zugeständnisse“, übersetzt das der Duden. Doch das Papier, auf das sich SPD-Landesvize Andreas Matthae und Kritiker des umstrittenen Leitantrags für den kommenden Landesparteitag jetzt einigten, sieht in den zentralen Fragen keine Zugeständnisse, sondern Kampfabstimmungen vor. Wohin die Partei bei Privatisierung, Staatsverständnis und öffentlichem Dienst steuert, soll sich erst am 16./17. Mai im Palais am Funkturm entscheiden. Matthae sieht dennoch einen Erfolg, weil aus einer verfahrenen Situation ein „Grundgerüst“ für das weitere Verfahren entstanden sei.

An 270 Delegierten wird es in dem Tagungssaal an der Masurenallee liegen, ob die rund 19.000 Mitglieder starke Berliner SPD beispielweise auf einen Verkauf von landeseigenen Wohnungsunternehmen setzt. Und ob sie offen dafür ist, dass das Land Stadtreinigung oder BVG aus der Hand gibt. So wollte es der federführend von Parteivize Annette Fugmann-Heesing formulierte Leitantrag. Oder ob die Partei sich darauf festlegt, Wohnraum und Unternehmen der Daseinsvorsorge beim Land zu halten, wie es Gegenpapiere forderten. Da müsse die Partei Hü oder Hott sagen, meint Matthae.

Der Leitantrag, im Februar vom Landesvorstand beschlossen, war weithin auf Kritik gestoßen. Laut Parteisprecher Hannes Hönemann nahm ihn nur der Kreisverband Treptow-Köpenick unverändert an. Auf Ablehnung stießen vor allem Aussagen wie „Die Staatsquote ist zu hoch“ oder Formulierungen wie „staatlicher Bevormundung“. Das klang vielen zu wenig nach Sozialdemokratie und zu sehr nach FDP. Landesvize Matthae räumte schon vor zwei Wochen ein, dass der Leitantrag beim Parteitag durchgefallen wäre.

Die Treffen zwischen dem Landesvize und Kritikern hatten informellen Charakter. Offiziell befasst sich die Antragskommission unter Vorsitz von Matthae erst heute und morgen mit dem Thema. Georg Dybe, Vorstandsmitglied im größten Berliner SPD-Kreisverband Charlottenburg-Wilmersdorf und Mitautor eines viel beachteten Gegenpapiers, geht jedoch davon aus, dass sich am Kompromissvorschlag nichts mehr ändert. Matthae rechnet allerdings damit, dass etwa der Parteilinke Hans-Georg Lorenz, wegen Urlaubs an den Treffen nicht beteiligt, an einem eigenen Antrag festhält.

Im Mittelpunkt der Kritik steht Fugmann-Heesing, die schon als Finanzsenatorin von 1996 bis 1999 mit ihrem Privatiesierungskurs Parteimitglieder vergrätzte. Sprecher Hönemann dementiert, dass der Vorstand sie vorschickte, um Parteichef Peter Strieder aus der Schusslinie zu halten. Das würde eh nicht verfangen, sagt ein SPD-Insider: „Es ist auch Strieders Papier, und das wird auch so empfunden.“