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Archiv-Artikel

So wird aus den Bayern was Reelles!

VON THOMAS WINKLER

1. Kauf jedes Jahr den besten Spieler der Welt: Das ist gar nicht so schwer, wie man denkt. Es kostet nur Geld. Einen großen Haufen Geld. Aber: Es ist machbar. Real hat es bewiesen, als man mit Luis Figo (2000, 62 Millionen Euro), Zinedine Zidane (2001, 75 Millionen), Ronaldo (2002, 47 Millionen) und David Beckham (2003, 35 Millionen) eine Schmetterlingssammlung zusammenstellte, wie sie die Fußballwelt noch nicht gesehen hat. „Unsere Strategie ist simpel“, sagt Real-Präsident Florentino Pérez, „wir müssen die Besten haben.“

2. Vergiss die Defensive: Während das millionenschwere Ensemble vorne Tore am Fließband produziert, bekommt Real Madrid hinten so viele Schüsse aufs Tor wie keine andere Mannschaft in der spanischen Liga. Das sieht gut aus und das ist – entgegen der in Deutschland vorherrschenden Fußballphilosophie – auch noch erfolgreich. Die Stars, die gegnerische Strafräume durcheinander bringen, werden in Madrid fürstlich entlohnt, die Verteidiger müssen sich mit einem Fünftel dieser Bezüge zufrieden geben. Aber ein Fünftel von sechs Millionen Euro, die David Beckham jährlich verdient, ist auch nicht ganz wenig. Trotz des sich daraus geradezu zwangsläufig ergebenden verantwortungslosen Offensivfußballs ist Real nun Tabellenführer mit fünf Punkten Vorsprung in der besten Fußballliga der Welt. Bayern München verteidigt derweil verbissen eine Chance auf die Champions-League-Qualifikation in der womöglich viertbesten Liga Europas – und zahlt auch weiterhin das meiste Geld an seinen Torwart. Mit elf Maradonas, verkündete der damalige argentinische National-Coach Carlos Bilardo, könne man kein Spiel gewinnen. Das war damals schon falsch, aber der Effizienzgedanke trug lange – die Bayern und ihren Mauerfußball 2001 sogar bis zum Champions-League-Titel. Mittlerweile gilt wieder, was Reals Sportchef Jorge Valdano, einer von zehn Nicht-Maradonas bei Argentiniens Titelgewinn 1986, einmal schrieb: „Taktik ist das Versteck der Mittelmäßigkeit.“ Man muss sich Größe nur leisten können. Also.

3. Mach Schulden, dass die Banken seufzen: Ein paar hundert Millionen Euro sollten es schon sein. Die Kunst ist, 278 Millionen Miese auf der Bank zu haben und dabei ganz souverän weiterzumachen, als wäre alles in Ordnung. Aber so funktioniert Fußball heute nun mal. Soll die angeblich solider wirtschaftende Konkurrenz doch jammern und die Wettbewerbsverzerrung beklagen! Das ist die Klage der Unkreativen, der Neid der Besitzlosen, die Wut der Würstchenfabrikbesitzer. Reichtum ist relativ und ein Bankkredit eigentlich doch auch nur eine Art von Sponsoring.

4. Verkauf dein Vereinsgelände: Aber manchmal wachsen einem trotz Großmanntums die Schulden einfach über den Kopf. Doch wozu hat man Liegenschaften? Gut 350 Millionen Euro soll Real Madrid für sein Vereinsgelände in bester Madrider Stadtlage bekommen haben. Da war nach der Schuldentilgung sogar ein Bisschen was übrig für den nächsten Superstar. Das Trainingsgelände des FC Bayern liegt an der Säbener Straße in Neu-Harlaching, einem Viertel, das von Immobilienmaklern immerhin als „feine Wohngegend“ eingestuft wird. Für den Erlös ist vielleicht nicht Europas Fußballer des Jahres, Pavel Nedved, drin, aber vielleicht doch wenigstens mal ein Franzose, der kein Abwehrspieler ist. Ottmar Hitzfeld kann seine Jungs ja auch durch den nicht weit entfernten Perlacher Forst hetzen.

5. Verknappe das Produkt: Bei Real kostet selbst der Eintritt zum Training. Vier Euro muss zahlen, wer die Stars aus der Nähe sehen will. Während die Bayern zu Trainingszwecken durch die Provinz tingeln und dort den Verkauf von Bratwürstchen und Pappbecherbier ankurbeln, geht Real wie eine Rockband auf Welttournee. Zur Vorbereitung auf die laufende Saison bespielte man Asien und löste Massenhysterien aus. Selbst im All ist Real bereits präsent, seit der spanische Kommunikationssatellit Hispasat vor zwei Jahren verziert mit dem Wappen der Königlichen in den Orbit aufbrach.

6. Lass keine Sentimentalitäten zu: Wenn es am schönsten ist, sollte man aufhören. Also wird der Trainer gerade in der Stunde des Triumphes gefeuert. 1998 musste Jupp Heynckes gehen, obwohl er eine Woche zuvor zum ersten Mal nach 32 Jahren den ersehnten Champions-League-Titel nach Madrid geholt hatte. Voriges Jahr durfte Vicente Del Bosque am Tag nach dem Gewinn der 29. spanischen Meisterschaft die Koffer packen. Ottmar Hitzfeld ist seit 1998 in München – und hat mit dem FC Bayern schon den Weltpokal geholt. Wer will sich da noch was ausrechnen?

7. Lass die Brasilianer nicht zum Karneval nach Rio: Selbst Ronaldo tanzt dieser Tage auf dem Spielfeld und nicht an der Copacabana. Pech für die Gegner: Espanyol Barcelona geriet am Sonntag mit 2:4 unter die Räder, zweimal traf Ronaldo, der sonst um diese Zeit gerade seinen weihnachtlichen Heimaturlaub unerlaubt zu verlängern pflegt.

9. Sei ruhig ein bisschen arrogant: Okay, gemeinhin wird das dem FC Bayern bereits nachgesagt. Aber im Vergleich zu den Madrilenen sind die Münchner Dilettanten. Real hat 2002 zum hundertjährigen Vereinsbestehen vom Weltverband Fifa verfügen lassen, dass außer im heimischen Bernabeu-Stadion der Ball weltweit zu ruhen habe. Der FC Bayern dagegen stapelt tief und schätzt die eigenen Chancen heute Abend auf unter zehn Prozent ein. So wird das nie was.

10. Vertrau auf Petrus: Spaniens Sportzeitung Marca fürchtet in München noch einen mächtigen Gegner: „die Kälte“. Nötig wäre aber wohl der Komplettausfall der Rasenheizung im Olympiastadion, zwei Meter Neuschnee und Blitzeis, um die gut geölte Angriffsmaschine Real lahm zu legen. Erst mal steckten die Madrilenen gestern aber nur wegen Schneetreibens am Flughafen fest.

11. Da bleibt nur mehr eins – Träum weiter: Das hilft. Denn nur in Träumen und nur dort rückt ein Erfolg gegen Zidane, Figo, Raul, Roberto Carlos und Beckham in den Bereich des Möglichen, und außerdem hilft es zumindest kurzzeitig beim Verdrängen des Elends, das Kahn, Ballack und die Kollegen momentan allwöchentlich aufführen.