piwik no script img

Archiv-Artikel

Pyrrhussieg gegen Jürgen Rieger

Der Streit um das „Landhaus Gerhus“ geht in die nächste Runde. Neonazianwalt Rieger hat seinen Kaufvertrag zurückgezogen und hofft auf die Zwangsversteigerung. Damit kann er vielleicht den Preis drücken

Der Immobiliendeal in Faßberg ist nicht zu Ende. Am Donnerstagmorgen erfreute sich der Bürgermeister der niedersächsischen Gemeinde Hans-Werner Schlitte noch, dass Neonazianwalt Jürgen Rieger seinen Kaufvertrag für das „Landhaus Gerhus“ zurückgezogen hatte. Später kam jedoch das Gerücht auf, Rieger wolle sich jetzt an einer möglichen Zwangsversteigerung des Hotels beteiligen, um dort trotzdem ein rechtsextremes Schulungszentrum zu eröffnen.

Bereits jetzt wird hinter vorgehaltener Hand in der 7.000 Einwohner-Gemeinde von einen „Pyrrhussieg“ gesprochen. In der Verwaltung machte man sich schon vor zwei Jahren Sorgen, dass Rieger das Hotel erwerben könnte. Die Gemeinde handelte und sicherte sich ein Vorkaufsrecht. Am 17. November beschloss auch der Gemeinderat von dem Vorkaufsrecht Gebrauch zu machen. „Einstimmig“ wie Schlitte sagte und er versicherte, mit der Erbengemeinschaft, der das Landhaus gehört, das Gespräch zu suchen. Doch die hatte schon mit einem anderen gesprochen: Jürgen Rieger. Der legte dann im Oktober während der Zwangsversteigerung beim Celler Amtsgericht einen Kaufvertrag vor. Ganz offiziell mit der Erbengemeinschaft vereinbart. Als Sicherheit hinterließ er 100.000 Euro. Laut Kaufvertrag wollte Rieger 1,2 Millionen Euro für das Anwesen bezahlen. Er versicherte, das Grundstück für „national denkende Menschen“ nutzen zu wollen.

Vor allem der hohe Kaufpreis für die etwas herunter gekommenen Hotelanlage machte nicht bloß Schlitte stutzig. Denn bei der unterbrochenen Zwangsversteigerung hätte Rieger die Immobilie wesentlich günstiger für etwa 750.000 Euro erwerben können. Der Bürgermeister sagte, er befürchte, dass die Eigentümer mit Rieger versuchen würden, den Preis nach oben zu treiben. Was die Gemeinde mit dem Vorkaufsrecht abzuwenden versuchte, könnte nun trotzdem eintreten: Nach Riegers Rücktritt vom Kaufwert ist, laut NDR-Info unklar, ob das von der Gemeinde eingeleitete Vorkaufsverfahren rechtlich wirksam ist.

Und eine erneute Zwangsversteigerung birgt die Gefahr, dass Rieger mit bietet. Er könnte die Immobilie dann sogar noch günstiger erwerben. Für die Gemeinde könnte jetzt der Fall eintreten, dass sie aus Sorge vor Neonazis im Dorf doch noch mit bieten und mehr bezahlen muss.

ANDREAS SPEIT