: Kurzfristige Unternehmerdenke
betr.: „Das Lehrstellen-Spiel“, „Als ob der Staatssozialismus wiederkehrt“, taz vom 17. 2. 04
Die Wirtschaftsvertreter schwadronieren von einem „bewährten“ dualen System, warnen vor einer Verstaatlichung der Ausbildung und bescheinigen den Befürwortern einer Lehrstellenabgabe „ideologische Verblendung“. […] Da ist man der Unternehmerseite in den letzten Jahren seitens etablierter Politik und Medien wohl zu weit entgegengekommen.
Das vorgesehene Gesetz zur Ausbildungsplatzabgabe beinhaltet:– Wenn die Unternehmen in ihrer Aufgabe versagen, und nur dann, tritt die Abgabe ein. Es liegt somit ein offensichtliches Nothandeln des Staates vor und kein voreiliger Eingriff in unternehmerische Selbstverwaltung. Die kleinen Betriebe bis zu zehn Beschäftigten sind ausgenommen von der Regelung und damit gar nicht betroffen.– Die bereits ausbildenden Betriebe sind ebenso wenig betroffen.– Nur die Unternehmen, die sich ihrer Aufgabe verweigern, sich und der Gesellschaft ausreichend qualifizierte Beschäftigte zu sichern, werden zur Kasse gebeten, auch und insbesondere in ihrem eigenen Interesse der Zukunftssicherung der wirtschaftlichen Entwicklung.
Das Abgabegesetz ist nichts anderes als billig, und darüber kann selbst das lauteste ideologische Geschrei der Arbeitgeber nicht hinwegtäuschen; denn klar ist, dass damit von der kurzfristigen Profitorientierung vieler – besonders großer – Unternehmen abgelenkt werden soll. Leider weisen sich nicht nur Unionsvertreter, sondern auch führende Sozialdemokraten wie Herr Clement und die Herren Schartau und Steinbrück – beide NRW – als Sachwalter kurzfristiger Unternehmerdenke sowie als Propagandisten und Multiplikatoren stumpfer Arbeitgeberpropaganda aus. Das wird sich bei Wahlen sicher nicht auszahlen, denn auf den Kopf gefallen sind die Jungwähler nicht. JOHANNES DREISCHENKEMPER, Gladbeck
Für wie dumm und naiv müssen uns die Funktionäre der Industrie- und Handelskammern, der Unternehmerverbände und teilweise auch der Politik halten? Selbstverständlich muss die Ausbildungsplatzabgabe kommen und so hoch – vom Betrag in Euro her gesehen – sein, dass es sich eben nicht mehr lohnt, nicht auszubilden. Gerade das moderne kurzfristige Gewinnstreben schädigt die Wirtschaft per Saldo selber. Morgen schon schreien die Wirtschaftsfunktionäre nach qualifiziertem Fachpersonal, das sie heute nicht ausbilden. Dieses Verhalten ist nicht nur unsolidarisch, sondern zutiefst asozial. Die vielen mittelständischen UnternehmerInnen sollten „ihre Funktionäre“, die nicht funktionieren, öffentlich in die Schranken weisen. […] KLAUS JÜRGEN LEWIN, Bremen
betr.: „Lehrstellen-Abgabe zweitbeste Lösung“, taz vom 19. 2. 04
Toll zusammengefasst, dieses Interview. So wird in Bezug auf die Ausbildungsabgabe in der ersten Frage der Eindruck erweckt, als sei das Problem, dass die Förderung unserer „Wissenschaftsgesellschaft“ eine Alternativlösung erfordert, zwischen der Förderung der „einfachen Tätigkeiten“ und der theoretisch angelegten Hochschulausbildung mit „höheren Qualifikationen“. Denkwürdig ist es, „einfache Tätigkeiten“ mit einer Ausbildung zu vergleichen. Mehr als bedenklich ist es, Ausbildung mit der Vorstellung zu verbinden, dass dort „Feilen von Metallstücken“ sozusagen als Grundinhalt schimpansenhafter Arbeit von Auszubildenden den wichtigen gedanklichen Ergebnissen von Gymnasiasten gegenübergestellt werden. Mal abgesehen davon, dass die Berufsausbildung noch ein paar andere kleine Ziele verfolgt: Wie kann die Redaktion zulassen, dass die hochqualifizierte berufliche Welt so denunziert wird?
Mit Befremden registriere ich, dass die taz auf dem besten Wege ist, sich endgültig aus diesem gesellschaftlichen Bereich zu verabschieden. In diesem Sinne sei die Frage erlaubt: Wo bleibt eigentlich die taz-Seite für Auszubildende – denn die brauchen heute Unterstützung und Solidarität, weil immer mehr Betriebe sich aus dem Tarifverbund herausstehlen. […]
WALTER HEITMANN, Braunschweig