WER ZU LANGSAM IST, GEHÖRT NICHT IN DIE EU
: Kraftakte in Südosteuropa

Ob die EU bisher über eine Außenpolitik verfügt, wird ja auch in Brüssel selbst angezweifelt. Ihr Einfluss jedoch zeigt sich, seit sie klare Kriterien für die Aufnahme von Ländern in die Gemeinschaft erstellt. Die Aufnahmebedingungen und -prozeduren sind zu einem wirkungsvollen Instrument geworden, mit dem es gelingt, die Demokratisierung der Übergangsgesellschaften von Nord- bis Südosteuropa voranzutreiben. Wenn jetzt von Lettland bis Kroatien der Staatsaufbau modernisiert, die Justiz reformiert und die Achtung der Menschenrechte durchgesetzt wird, dann hat dies mit den hohen Hürden zu tun, die in Brüssel errichtet worden sind.

Mehr noch: Wie die Beispiele der Türken und Griechen in Zypern und der slawischen und albanischen Mazedonier zeigen, können EU-Kriterien sogar tief sitzende Konflikte überwinden helfen. Voraussetzung dazu allerdings ist, dass in solchen Ländern die ökonomischen Interessen die politischen zu überlagern beginnen. Wer wirtschaftlich weiterkommen will, muss die nationalistisch motivierten Konflikte lösen wollen. Dieser Kraftakt steht den bosnischen Volksgruppen noch bevor. Immerhin scheint sich aber auch in diesem Land nun etwas zu tun.

Und umgekehrt? In Serbien etwa hoffen die Eliten, dass das Interesse der EU an ihrem Land so schwer wiegt, dass sie die Demokratisierungsmängel in Kauf nimmt. Die Brüsseler Warnung an Rumänien letzte Woche kam deswegen zur rechten Zeit: Nur wenn die EU die Hürden hoch hält, werden sich solche Gesellschaften selbst helfen. Wer es nicht schafft, die Kriterien zu erfüllen, muss eben draußen bleiben. Denn ein zu schnelles Ja würde bedeuten, dem demokratischen Europa das einzige Instrument aus der Hand zu schlagen, das es wirkungsvoll einsetzen kann. Überlegungen lediglich militärisch-strategischer Art, wie sie von den USA für Albanien und die Türkei vorgetragen werden, wären für die EU ein Schritt in die falsche Richtung. Die Demokratisierung und dabei besonders die Achtung der Minderheiten- und Menschenrechte stellen eine Messlatte dar, die gerade zum Wohle der betreffenden Gesellschaften nicht niedriger gehängt werden darf. ERICH RATHFELDER