: Schmerzen im Bob
André Lange geht bei der Vierer-WM in Königssee als Titelverteidiger an den Start – und gehandicapt
KÖNIGSSEE taz ■ In dieser Woche hat der Bobfahrer André Lange vom BSR Oberhof die Füße hochgelegt, aber immer nur kurz zwischendurch. „Normalerweise müsste ich den Fuß drei, vier Wochen ruhig stellen“, sagt Lange, den eine Entzündung im linken Fuß plagt. Aber am Wochenende geht es in Königssee um die Viererbob-WM, da will er nicht fehlen – schließlich ist er der Titelverteidiger. Seine Teilnahme sei auch gar nicht gefährdet, versichert André Lange: „Erst wenn der Fuß ab ist, ist der Start in Gefahr.“ Und als er zuletzt nachgeschaut hat, schien der Fuß noch dran zu sein: „Er wird vom Klebeband zusammengehalten.“
Die Bobfahrer pflegen ja ein Image als rustikale, harte Burschen. Jammern gilt nicht, und nur eins können sie nicht, gibt Lange zu: „Verletzungen zugeben.“ Es hat auch gedauert, bis der Sportsoldat aus Suhl das Ausmaß seiner Blessur gestanden hat. Eine offene Wunde an der Ferse hatte sich entzündet wegen der andauernden Belastung beim Anschieben, die Entzündung strahlt mittlerweile auf den ganzen Fuß aus. Schon bei der Zweier-WM am vorigen Wochenende, die er als Dritter beendete, schob er den Schlitten nur unter Schmerzen an.
Nun gibt es zwar auch in den Bobteams Ersatzleute, aber Lange ist der Pilot des Gefährts „Deutschland I“, und der Pilot ist nicht zu ersetzen. Also trainierte André Lange diese Woche wie gewohnt mit seinen Hintermännern für die vier WM-Läufe am Samstag und Sonntag, aber „eine große Hilfe am Start war ich nicht“, sagte er. Dabei ist gerade die Beschleunigung die Stärke von Lange & Co., weltweit bringt kein anderes Team den Schlitten derart rasant in Schwung. „Die schnellen Teams am Start gewinnen auch die Rennen“, lautet seine Philosophie.
In diesem Winter hat er damit sechs von sieben Weltcup-Rennen gewonnen mit dem großen Bob und damit natürlich die Gesamtwertung, zum dritten Mal übrigens. Trotzdem sieht er sich nicht als WM-Favoriten: „Was bis jetzt war, ist Makulatur. Wir sind auf einer neuen Bahn, da müssen wir uns erst wieder durchsetzen.“ Auch Bundestrainer Raimund Bethge erwartet einen harten Kampf um die Medaillen: „Es wird noch enger als im Zweier.“ Die deutschen Kollegen Christoph Langen (Unterhaching) und Matthias Höpfner (Riesa) werden Lange zusetzen, dazu Zweier-Weltmeister Pierre Lueders aus Kanada, die Amerikaner, Schweizer, Russen. „Ich bin bescheiden“, sagt der Titelverteidiger, „aber ich habe die Chance, um die Medaillen mitzufahren.“
Die hat er noch ganz lange, glaubt Bundestrainer Bethge, schließlich sei Lange „mit seinen 30 Jahren noch relativ jung, das ist ja kein Bob-Alter“; der Rivale Christoph Langen beispielsweise ist 41. So lange will André Lange freilich nicht aushalten, bei den Olympischen Winterspielen 2010 in Vancouver sei „definitiv Schluss“, sagt er: „Es gibt im Leben ja noch etwas anderes als Bobfahren.“
Und überhaupt: Er könnte jetzt schon aufhören und müsste sich nicht ärgern über verpasste Erfolge – bis auf Olympiagold im Zweier hat er alles gewonnen: 2002 war er Olympiasieger im Vierer, voriges Jahr Weltmeister im kleinen wie im großen Bob, zuvor Europameister im Zweier (2000) und im Vierer (2002). „Im Grunde kann er alles nur bestätigen“, sagt Bethge, „aber er hat noch Steigerungsmöglichkeiten.“ Fahrerisch könne der Pilot jedenfalls auf allen Bahnen dieser Welt noch Erfahrung sammeln. Die wird er brauchen, denn sein Team befindet sich im Umbruch. Vor dieser Saison hat André Lange die Anschieber Christoph Heyder und Enrico Kühn an Christoph Langen verloren; Carsten Embach, 35, hört auf, auch Lars Behrendt, 30, hat seinen Ausstieg angekündigt. Mit Kevin Kuske, 25, René Hoppe, 27, und Udo Lehmann, 30, hat er zwar momentan eine starke Besetzung, aber er ist gerade dabei, jüngere Leute an das Spitzenniveau heranzuführen. „Ich bin guter Dinge, dass ich das bis 2006 schaffe“, sagt André Lange, „auf Turin hin gesehen bin ich optimistisch.“ Für die Vierer-WM am Wochenende hingegen gilt das nicht. Auch wenn der Fuß noch dran ist. JOACHIM MÖLTER