Gefangen unter Großen

Im Knast geboren: Im Untersuchungsgefängnis lebt eine Frau seit über acht Monaten mit ihrem Baby auf gerade einmal neun Quadratmetern in der Zelle. Demnächst ziehen beide zumindest ins Frauengefängnis auf der Elbinsel Hahnöfersand um

von ELKE SPANNER

Gleichaltrige Freunde wird der kleine Junge keine haben. Dass es überhaupt andere Kinder gibt, weiß er nicht einmal. Denn er ist gefangen unter Erwachsenen: Vor acht Monaten im Untersuchungsgefängnis an der Holstenglacis geboren, lebt ein Baby seither mit seiner Mutter im Knast. Demnächst sollen Mutter und Kind zumindest ins Frauengefängnis auf Hahnöfersand umgesiedelt werden. „Dort“, sagt Justizbehördensprecherin Annette Hitpaß, „gibt es dann auch bessere Spielmöglichkeiten.“

Die findet der Junge zurzeit nur in seiner Zelle. Zusammen mit seiner Mutter lebt er in einem Einzelraum, Inventar: Kinderbett und Wickelauflage, Bett, Schrank, Tisch, Stuhl, Waschbecken und WC, das Ganze auf 9,2 Quadratmetern. Kontakt mit anderen Kleinkindern hat der Junge bisher noch nicht gehabt, das sei „in der Untersuchungshaft nicht zu gewährleisten“, antwortet der Senat auf eine kleine Anfrage des GAL-Abgeordneten Manfred Mahr.

Der Senat findet, dass der Junge für seine Entwicklung ausreichend Spiel- und Bewegungsmöglichkeiten hat. Die gäbe es „innerhalb des Haftraumes“. Außerdem seien auf der Station, auf der Mutter und Kind leben, die Zellentüren zwei Stunden am Tag geöffnet, Auslauf gebe es folglich also auch auf dem Flur. Zudem nehme die Mutter an mehreren Freizeitaktivitäten wie beispielsweise einer Malgruppe teil. Und eine Stunde am Tag darf sie mit dem Kind, wie alle anderen Insassen auch, für eine Stunde an die frische Luft.

Ende März, fast ein Jahr nach ihrer Inhaftierung im Mai 2002, ist die Mutter des Kindes zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt worden. Die Staatsanwaltschaft hat Revision eingelegt, sie will eine noch höhere Strafe für die Frau. Obwohl das Verfahren noch läuft, plant die Justizbehörde, die Frau schon jetzt nach Hahnöfersand zu verlegen. Ihr Kind nimmt sie ins Frauengefängnis mit. „Die Entscheidung trifft die Mutter zusammen mit dem Jugendamt“, erklärt Behördensprecherin Hitpaß. Das Jugendamt werde in den kommenden (Haft)jahren des Kindes dann auch dessen Entwicklung beobachten und gegebenenfalls Maßnahmen einleiten, um das Kindeswohl zu gewährleisten.

Auf Hahnöfersand haben die Zellen zumindest Fenster, die Frauen können sich tagsüber auf dem Flur und in der Gemeinschaftsküche aufhalten. Doch auch auf Hahnöfersand wird der kleine Junge das einzige Kind sein. Und Pläne, ihn regelmäßig in einen Kindergarten zu fahren, gibt es bisher nicht.