Kreative Ideenschmiede für die solare Zukunft

Der Physker Jürgen Kleinwächter und seine Firma BSR Solar Technologies im badischen Lörrach bringen mit oft unkonventionellen Projekten die Sonnenenergie voran. Credo: „Die Solartechnik muss sich immer weiterentwickeln“

Eines seiner Prinzipien heißt Multifunktionalität. „Schauen Sie sich die Natur an“, sagt Jürgen Kleinwächter, „da ist nichts monofunktional. Zum Beispiel die Umsetzung von Energie: Die Pflanze speichert nicht nur Sonnenenergie durch Photosynthese, sie ist auch – wenn es heiß wird – eine richtige Kältemaschine, weil sie dann große Mengen Wasser verdampft.“

Das Fazit ist für Physiker Kleinwächter klar: „Man muss Solaranlagen bauen, die das sichtbare Licht photovoltaisch und die Wärmestrahlung thermisch nutzen, und schließlich noch die UV-Strahlung für chemotechnische Prozesse verwenden.“ Multifunktional eben. Dank solcher Ideen gehört Kleinwächters Firma BSR Solar Technologies im badischen Lörrach zu den kreativsten Forscherwerkstätten Deutschlands.

Die Vorteile eines solchen Ansatzes sind vielfältig. Denn Wärmestrahlung stört bei der Photovoltaik nur: Sie heizt die Solarzelle auf, womit der Wirkungsgrad sinkt. Wenn es nun gelingt, den langwelligen Infrarot-Anteil anderweitig zu verwenden, hat man doppelten Vorteil: nutzbare Wärme und höhere Stromerträge durch kühlere Zellen.

Da es oft leichter ist, die Wärme mittels eines Kühlmediums abzuführen als das Licht spektral zu filtern, hat Kleinwächters Firma nun ein Kraftwerk nach diesem Prinzip entwickelt: Eine Parabolrinne oder wahlweise eine vergleichbare Fresnel-Linse fokussiert das Sonnenlicht auf ein schmales Band von Solarzellen. Diese werden über ein Kühlmedium im dahinter liegenden Rohr temperiert. Oder anders ausgedrückt: Die ohnehin störende Wärme wird entzogen und anderweitig genutzt.

Kühlt man auf diese Weise die Solarzelle, so könne man die Einstrahlung bis zum 20fachen der Intensität der natürlichen Sonneneinstrahlung konzentrieren, sagt Kleinwächter. Denn der Wirkungsgrad einer Solarzelle bleibe bis zum 20fachen der natürlichen Einstrahlungsdichte konstant – sofern sie sich nicht erwärmt.

So spart man Kosten. Kleinwächter rechnet vor: Ein Quadratmeter Solarzellen kostet 500 Euro. Fokussiert man nun die Sonnenstrahlen auf ein Zwanzigstel dieser Fläche, braucht man nur noch Zellen für 25 Euro, holt aber dennoch die gleiche Leistung heraus. Der Spiegel koste dann zwar noch 50 Euro je Quadratmeter, und die notwendige Peripherie weitere 100 Euro. Doch für höchstens 200 Euro je Quadratmeter lasse sich die Solarenergie damit verstromen – verglichen mit herkömmlichen Solarzellen eine deutliche Einsparung.

Und auch beim Spiegel setzt sich Kleinwächter von den üblichen Verfahren ab. „Wer sagt, dass man zum Fokussieren des Sonnenlichts überdimensionierte, massive Spiegel braucht?“, fragt er. Deshalb hat er einen aufblasbaren Solarspiegel aus einem Fluorpolymer erfunden. Dieser besteht aus einem Torus, einem aufblasbaren Körper ähnlich einem Schwimmring. Dessen Durchmesser wird mit zwei Folien überspannt. Erzeugt man nun in dem dazwischen liegenden Raum einen Überdruck, wölben sich die Folien parabolisch nach außen – und schon hat man einen Konzentrator-Spiegel. Denn die der Sonne zugewandte Folie ist transparent, die dahinter liegende aber auf der sonnenbestrahlten Innenseite spiegelnd beschichtet.

„So baut man aus einer Kunststofffolie von einem Zehntel Millimeter Dicke einen guten Konzentrator“, sagt der Forscher, der neben der Multifunktionalität auch den Leichtbau zu seinem Credo erhoben hat. „Heutige solarthermische Kraftwerke benötigen drei Tonnen Material für jedes installierte Kilowatt – Kohlekraftwerke brauchen nur 300 Kilogramm.“ Daran werde deutlich, dass die Solartechnik noch weiterentwickelt werden müsse. Wie kraftvoll Kleinwächters Spiegel die Sonne bündeln können, zeigt er anhand einer Stahlplatte: Dort hinein hat er mit einem Sonnenstrahl ein Loch gebrannt: „3.000 Grad Celsius erreichen wir problemlos.“

Doch damit nicht genug – der interdisziplinär denkende Tüftler hat noch vieles mehr auf Lager. „Meine Vision ist das dezentrale solarthermische Kraftwerk, das rund um die Uhr läuft“, sagt Kleinwächter. Auch das hat er bereits entworfen – mit Niedertemperatur-Stirling-Motor und thermochemischem Magnesiumhydrid-Speicher. Somit dürfte die kleine Ideenschmiede mit ihren derzeit zwölf Mitarbeitern die unkonventionellste unter den renommierten deutschen Solarforschungsstätten sein. Bereits 1971 hatte Hans Kleinwächter zusammen mit seinem Sohn begonnen, die Nutzung der Solarenergie zu erforschen, nachdem er zuvor Roboter gebaut hatte.

Doch er forscht nicht nur. Die auf dem Firmengelände ansässige Bomin Solar verkauft auch marktreife Produkte – unter anderem Heliostatensysteme, die Sonnenlicht in Gebäude leiten. Referenzprojekte gibt es etwa am Flughafen Manchester, bei BMW in München und auch in der Aachener Landeszentralbank. Dort schaffen Spiegelsysteme nicht nur angenehme Innenraumbeleuchtung, sondern setzen zudem künstlerische Akzente. Multifunktionale Produkte eben. BERNWARD JANZING