Wahlschlappe für die Labour-Party

Bei den Lokalwahlen in England muss die Partei von Premier Tony Blair große Verluste hinnehmen. Demgegenüber haben die Tories in den Kommunalverwaltungen nun die Mehrheit. Überraschend gute Ergebnisse auch für Grüne und Rechtsextreme

aus Glasgow RALF SOTSCHECK

Die britische Labour Party hat bei den Lokalwahlen in England vorgestern rund 750 Sitze verloren. Zum ersten Mal seit 19 Jahren regiert Labour nicht mehr in Birmingham, Englands zweitgrößter Stadt. Sie hat einen hohen Anteil an muslimischen Wählern, die Premierminister Tony Blairs Partei für den Irakkrieg bestraft haben. Die Campaign Group, eine Allianz linker Labour-Abgeordneter, sagte in einer Presseerklärung: „Junge Menschen und die muslimische Gemeinde, von denen Millionen gegen den Irakkrieg protestierten, haben das Gefühl, dass ihre Stimme von der Regierung vollkommen ignoriert wurde. Nun haben sie sich gerächt.“

Die Tories legten um 550 Sitze zu und haben in den englischen Kommunalverwaltungen nun eine Mehrheit. Parteichef Iain Duncan Smith sprach von einem „spektakulären Sieg“. Der wurde ihm durch den Rücktritt von Crispin Blunt, Handelsminister im Tory-Schattenkabinett, vergällt. Er bezeichnete Duncan Smith als „Handicap“ für die Aussichten seiner Partei, wieder an die Macht zu gelangen, und forderte ihn zum Rücktritt auf. „Es ist eine Tatsache, dass die Konservative Partei keine Fortschritte macht“, sagte er.

Die Liberalen Demokraten sitzen den beiden großen Parteien im Nacken, sie legten um rund 200 Sitze zu und kamen auf 30 Prozent der Stimmen – nur ein Prozent hinter Labour. Überraschend gut schnitten Grüne und Rechtsextreme ab. Die Grünen gewannen mehr als 50 Sitze, obwohl nur Direktmandate vergeben wurden. In einzelnen Wahlkreisen kam die Partei auf mehr als 40 Prozent der Stimmen.

Die rechtsextreme British National Party (BNP) gewann 13 Sitze, acht mehr als bisher. In Burnley ist sie nun zweitstärkste Partei und stellt acht Bezirksverordnete. Einer von ihnen, Leonard Starr, sagte: „Beim letzten Mal haben wir die Tür aufgestoßen. Diesmal sind wir hindurchmarschiert.“ Im nordenglischen Sunderland, wo die BNP 25 Kandidaten aufgestellt hatte, konnte sie keinen einzigen Sitz gewinnen. Der Unterhausabgeordnete für den Wahlkreis, Chris Mullin vom linken Labour-Flügel, sagte: „Ich bin froh, dass die Menschen von Sunderland beschlossen haben, sich nicht von einem Faschisten repräsentieren zu lassen.“

Zur Wahl standen rund 10.000 Sitze in 340 Wahlkreisen, in London wurde nicht gewählt. Nicht mal ein Drittel der Wahlberechtigten gab die Stimme ab. Auch in Wales und in Schottland, wo neue Regionalparlamente gewählt wurden, ging nicht mal die Hälfte der Wahlberechtigten an die Urne. In Wales, das bisher von einer Koalition aus Labour und den Liberalen Demokraten regiert wurde, ist Blairs Partei künftig mit hauchdünner Mehrheit alleine an der Macht. Die Gewinne gingen auf Kosten von Plaid Cymru, die für ein unabhängiges Wales eintritt. Die Partei verlor rund ein Drittel ihrer Sitze und liegt nur knapp vor den Tories. Blairs Freude über den walisischen Erfolg ist nicht ungeteilt, denn der Regierungschef in Cardiff, Rhodri Morgan, gehört dem linken Labour-Flügel an und ist erklärter Blair-Gegner.

In Schottland, wo 129 Mandate neu verteilt wurden, bleibt die Koalition aus Labour und Liberalen weiter an der Macht – allerdings mit stark reduzierter Mehrheit, denn die Labour Party musste deutliche Verluste hinnehmen. Das stärkt die Position der Liberalen bei den Koalitionsverhandlungen. Gewinner der Wahlen waren die Grünen, die auf sechs Sitze kamen, und die Scottish Socialist Party, die fünf Mandate gewann. Tommy Sheridan, der bisher einzige SSP-Abgeordnete, sagte: „Es hat sich eine neue Kraft in Schottland gebildet, und diese neue Kraft glaubt, dass Schottlands Reichtum dem schottischen Volk gehört.“

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