: Zwei Männer mit Sinn für Humor
Gerhard Schröder ist wieder wer im Weißen Haus. Bush schätzt ihn jetzt, weil er ihn „zum Lachen bringt“. Man versteht sich sogar beim Mittagessen
AUS WASHINGTON JENS KÖNIG
George Bush und Gerhard Schröder sitzen in ihren gelben Sesseln und lächeln. Ja, ein gutes Gespräch hätten sie gehabt, sagen beide. Entspanntes Klima, freundliche Atmosphäre, offener Austausch. Irak, Afghanistan, Naher Osten – über viele Fragen hätten sie geredet. Der Streit in der Irakpolitik sei vorbei, jetzt schaue man wieder nach vorn. Sogar „Dschorsch“ und „Görard“ sagen sie wieder zueinander.
Nein, nein, das ist nicht der Schröder-Bush-Originalton von Freitagmittag, Washington, Weißes Haus. Das ist die Kurzzusammenfassung von New York, Hotel Waldorf Astoria, September 2003. Diesmal jedoch sitzen George und Gerhard im Oval Office, dem Allerheiligsten der Weltpolitik. Die Sessel hier haben eine andere Farbe, blau mit goldenen Streifen – aber sonst? Das gleiche breite Männerpolitikergrinsen, der gleiche freundliche Ton, die gleichen Irakafghanistanantiterror-Sätze. „Mr. Chancellor, welcome back“, sagt Bush und macht dem Chancellor ein Kompliment der ganz eigenen Art. „Er hat einen besonderen Sinn für Humor“, findet Bush, „und wer mich zum Lachen bringt, mit dem kann ich gut.“ Schröder grinst dabei in sich hinein, bleibt selbst aber lieber staatsmännisch „Es war ein gutes Gespräch zweier, die wissen, dass die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts nur gemeinsam bewältigt werden können“, sagt er. So Sätze halt. Die Inszenierung einer Partnerschaft auf immer noch mäßigem Niveau. Ein Déja-vu?
Natürlich nicht, wenn man das Ganze mit den Augen der Diplomatie betrachtet. Da bedeutet allein schon die Tatsache, dass der Kanzler vom amerikanischen Präsidenten zum ersten Mal seit zwei Jahren wieder ins Weiße Haus eingeladen worden ist, einen großen Fortschritt. Und dann noch das protokollarisch bedeutsame Zeichen des gemeinsamen Mittagessens von Bush und Schröder. 40 Minuten! Sagenhaft! Der amerikanische Wahlkampf hat halt früh begonnen, und da kann selbst der amerikanische Präsident Vorwürfe, er gehe mit den europäischen Verbündeten ruppig um, nicht gebrauchen.
Schließlich ist da noch der Irak. Es mag paradox klingen, aber ausgerechnet der Konflikt, der die Ursache für das deutsch-amerikanische Zerwürfnis war, bildet jetzt die Grundlage für eine wenn auch vorsichtige Wiederannäherung. Die Amerikaner haben lernen müssen, dass eine Stabilisierung und Demokratisierung des Irak nicht ohne die Hilfe der UN, nicht ohne Nato und nicht ohne die Kriegsgegner Deutschland und Frankreich hinzukriegen ist. Der Kanzler seinerseits hat verstanden, dass es nicht darauf ankommt, in der Irakfrage über den Krieg hinaus Recht zu behalten. „Wir haben nicht über die Vergangenheit geredet. Wir haben ein gemeinsames Interesse an einem stabilen Irak“, sagt er.
Und so sitzt ein selbstbewusster Gerhard Schröder neben George Bush im Oval Office und zählt auf, was die Deutschen bereit sind ganz praktisch für den Irak zu tun: die Ausbildung irakischer Polizisten in den Vereinigten Arabischen Emiraten, Hilfe beim Aufbau im Wasser- und Energiesektor, Unterstützung beim Aufbau von Ministerien. Der Kanzler erwähnt im Gespräch mit dem US-Präsidenten noch einmal die Bereitschaft der Deutschen, bei einer Reduzierung der irakischen Auslandsschulden mitzuwirken. Schröder tut das besonders gern. Im Kanzleramt hat man den Eindruck, dass es gerade Schröders entsprechende Zusicherung gegenüber dem US-Sondergesandten James Baker Ende vorigen Jahres in Berlin war, die für gut Wetter in Washington sorgte. Der Kanzler hatte damals einen „substanziellen Beitrag“ zur Entschuldung des Irak versprochen; der Irak steht allein in Deutschland mit 5 Milliarden Dollar in der Kreide.
Schröder hat Bush aber auch deutlich gemacht, wo für die Bundesregierung die rote Linie liegt, die sie auf keinen Fall überschreiten wird: keine deutschen Kampftruppen in den Irak! „Das gilt“, sagt der Kanzler, „die amerikanische Regierung weiß das und respektiert das.“ Schröder fügt jedoch hinzu, dass die Amerikaner auch wüssten, dass Deutschland eine mögliche Nato-Mission im Irak „nicht aufhalten“ werde. Dem Kanzler fällt dieser Zusatz relativ leicht, weil er noch nicht sieht, wann und wie ein Einsatz der Nato im Irak überhaupt zustande kommen soll. Eine durch Wahlen legitimierte irakische Regierung und ein entsprechendes UN-Mandat liegen für ihn noch in weiter Ferne. Und so mochte sich der Kanzler nie bei seiner zweitägigen US-Reise zu der Frage äußern, ob im Fall der Fälle deutsche Offiziere aus Nato-Stäben zurückgezogen werden müssten.
Diese Zwischenphase in der Irakpolitik – der Nachkriegs-Irak noch so instabil, dass die Antikriegshaltung bestätigt bleibt, aber auch noch nicht so weit, dass ein Nato-Einsatz und schwierige Bündnisfragen auf der Tagesordnung stünden – hat Schröders USA-Besuch in ein mildes Licht getaucht. Der Moment war günstig. Das gilt in gewisser Hinsicht für das deutsch-amerikanische Verhältnis insgesamt. Der Kanzler kann abwarten, ob er es ab November mit einem amerikanischen Präsidenten John Kerry zu tun kriegt. Bis dahin pflegt er mit Bush eine freundliche Arbeitsbeziehung. Schröders Außenpolitiker im Kanzleramt umschreiben das so: „Wir sind in einer Phase, in der wir gemeinsame Aufgaben gemeinsam definieren und bei deren Lösung zusammenarbeiten.“ Das hat es dem Kanzler erlaubt, vor allem in Chicago, der ersten Station seiner Reise, sein anderes Gesicht als Außenpolitiker zu zeigen: Schröder als Handlungsreisender des Exportweltmeisters Deutschland. Vortrag beim „Council on Foreign Relations“, Besuch beim Technologieriesen Motorola, Klagen über die Praxis amerikanischer Gerichte, ausländische Unternehmen mit Schadensersatzklagen zu überziehen, ungewohnt direkte Einmischung in die europäische und amerikanische Zinspolitik – da wirkt die Außenpolitik des Kanzlers immer noch etwas breitbeinig, irgendwie niedersächsisch. Beim „Foreign Council“ gab es einen versteckten Hinweis darauf. Da begrüßte der Direktor des Council Schröder mit den Worten, jetzt komme der deutsche Kanzler, „the former prime minister of Lower Saxony“.