: Neuer Sargnagel für die Wirtschaft
Kredite aufzunehmen wird schwieriger, wenn man nicht zu den Solventesten gehört. Selbst die Bundesbank fürchtet Schaden für die Konjunktur, wenn die neue Bankenrichtlinie „Basel II“ in Kraft tritt. Besonders betroffen: der deutsche Mittelstand
von HERMANNUS PFEIFFER
„Basel II“ gefährdet die Konjunktur. Zu diesem Schluss kommen Gewerkschafter und Bankiers, nachdem die federführende Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel einen Probelauf mit über 350 Kreditinstituten abgeschlossen hat.
Bislang müssen Banken und Sparkassen für jedes Darlehen pauschal acht Prozent wertvolles Eigenkapital zurücklegen, um sich gegen etwaige Ausfälle zu schützen. Finanzkraft und Bonität des einzelnen Kunden spielen heute kaum eine Rolle. Zukünftig soll die Eigenkapitalrücklage jedoch vor allem abhängig vom Risiko des einzelnen Kredits sein. Die neuen Regeln aus Basel – darum „Basel II“ genannt – verlangen ab Ende des Jahres 2006 eine Einzelfallprüfung. Für risikoarme Kunden, wie große Konzerne, muss die Bank dann weniger eigenes Geld als Sicherheit als für riskante zurücklegen, etwa aus dem Mittelstand. Entsprechend würden Kredite billiger oder teurer als heute.
Mehr als 350 Banken aus 43 Ländern spielten in einer Befragung den Ernstfall durch. Die Ergebnisse zeigen mehrere Brüche in der globalen Finanzwelt. So waren außerhalb der reicheren Länder überhaupt „nur eine kleine Zahl von Ländern“ in der Lage, „umfassend antworten“, heißt es in dem BIZ-Bericht. Eine große Kluft scheint auch die Branchenspitzen in New York, London und Frankfurt von den meisten Konkurrenten zu trennen. So würden einige Institute aus den reichen Staaten viel Kapital einsparen, andere müssten dagegen ordentlich draufpacken, was ihre Wettbewerbschancen vermindert. Befürchtungen, dass Basel II dem im internationalen Vergleich finanzschwachen deutschen Mittelstand schaden wird, konnte der Crashtest der BIZ ebenfalls nicht entkräften.
Kritik kommt gleichlautend von den hiesigen Geldgiganten und der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di. „Geht die Konjunktur runter, werden Kredite teurer“, klagt Ver.di, und auch der Bundesverband deutscher Banken (BdB) kritisiert, dass Basel II „systemisch sehr stark prozyklisch“ wirke – eine Rezession also noch verstärke. Beide Organisationen fordern im Rahmen der nun anstehenden dritten Konsultationsphase Nachbesserungen.
Auch die Bundesbank kritisiert, dass eine Konjunkturschwäche die Kredite verteuern und damit die Wirtschaft zusätzlich belasten würde. Bundesbank-Vorstand Edgar Meister will allerdings zunächst nur diesen „gesamtwirtschaftlich bedeutenden Aspekt weiter untersuchen“, wie er gestern sagte. Er hofft dazu auf eine weitere Wirkungsstudie im Jahr 2004.
Jaime Caruana, Gouverneur des Banco de España und seit dem 1. Mai Vorsitzender des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht, dürfte nach diesen Ergebnissen zu Änderungen gezwungen sein. Der Ausschuss beabsichtigt aber nach wie vor, die neue Eigenkapitalvereinbarung bis zum vierten Quartal dieses Jahres fertig zu stellen. Durch teilweise heftige Rügen aus Politik und Wirtschaft wurde der ursprüngliche Zeitplan bereits um zwei Jahre verschoben.