Asyl – eine Frage des Überlebens

Menschenrechtsgruppen sehen Ümit Abay, der sich Mitte Februar in Mülheim anzündete und später starb, als Opfer der Asylpolitik. Sie wollen heute vor der Kölner Ausländerbehörde demonstrieren

VON DIRK ECKERT

Wegen des Todes des türkischen Asylbewerbers Ümit Abay rufen Menschenrechtsgruppen und linke Organisationen heute zu einer Demonstration vor der Zentralen Ausländerbehörde in Köln auf. „Wir lehnen eine Asylpolitik ab, die Menschen in den Tod treibt“, so der Menschenrechtsverein Türkei/Deutschland – Tüday, der die Kundgebung zusammen mit anderen türkischen Gruppen und dem Kölner Aktionsbündnis gegen Krieg und Rassismus veranstaltet. Der 23-jährige Türke kurdischer Herkunft hatte sich am 18. Februar in Köln-Mülheim mit Benzin übergossen und angezündet, am 27. Februar erlag er in einem Kölner Krankenhaus seinen schweren Verletzungen.

Abay war im Herbst 2003 nach Deutschland geflohen. In der Türkei war er für die linke Organisation TIKB aktiv, weswegen er seit 1996 mehrmals inhaftiert worden war. Schließlich verurteilte ihn ein Staatssicherheitsgericht wegen Unterstützung einer illegalen Vereinigung zu vier Jahren und drei Monaten Haft. Abay entschloss sich daraufhin zur Flucht, in Deutschland beantragte er Asyl.

Warum sich Ümit Abay selbst verbrannt hat, ist bislang unklar. Die Polizei ermittelt noch. Sein Mandant habe über psychische Probleme durch die Unterbringung in Jena geklagt, wohin er nach seinem Asylantrag verlegt worden war, berichtet sein Rechtsanwalt Hanswerner Odendahl. Abay habe deswegen seine „Umverteilung“ nach Köln beantragen wollen, wo er Verwandte und Freunde hatte. Auch gegenüber seinem Onkel Yusuf D. klagte Abay über seine Unterbringung in einer ehemaligen russischen Militärkaserne. Sein Neffe habe jeden Tag seine Anwesenheit durch Unterschrift bestätigen müssen und die Unterbringung als „halben Knast“ empfunden, erzählt Yusuf D.

Außerdem habe sich Abay mehrfach besorgt über seinen Asylantrag geäußert. Doch diese Befürchtungen waren offenbar unnötig. „Seine Chancen, Asyl zu erhalten, standen nicht schlecht“, sagt Odendahl. „Ich habe viele Mandanten, die in einer verzweifelteren Lage sind.“ Abays Asylverfahren habe sich jedoch verzögert, weil eine von ihm vorgelegte Urkunde falsch übersetzt worden war. Aus dieser sei hervorgegangen, dass die Staatsanwaltschaft in der Türkei Abay wegen Mitgliedschaft in einer illegalen Vereinigung gerne zu sieben Jahren Haft verurteilt gesehen hätte. In der deutschen Übersetzung habe es nun geheißen, dass die Staatsanwaltschaft zu seinen Gunsten agiert habe. „Den Fehler hätte man aber korrigieren können“, so Rechtsanwalt Odendahl.

Nach seiner Selbstverbrennung in Mülheim gab es für den jungen Mann kaum noch eine Chance zu überleben. In einem Kölner Krankenhaus stellten die Ärzte fest, dass 90 Prozent der Haut verbrannt waren, seine Überlebenschance lag bei 5 Prozent. Zwei Mal wurde er operiert. Nachdem sich sein Zustand kurzzeitig gebessert hatte, verstarb er schließlich an Nieren- und Lungenversagen. Am Wochenende soll in Köln eine Trauerfeier stattfinden, bevor seine Leiche in die Türkei gebracht und dort beigesetzt wird.

Für seinen Tod macht Abays Familie jetzt auch die deutsche Asylpolitik verantwortlich, die Menschen zum Selbstmord treibe. Der kurdische Rechtshilfefonds Azadi verweist darauf, dass Ümit Abay nicht der erste Asylbewerber ist, der versucht hat, sich das Leben zu nehmen. Von Anfang 1993 bis Ende des Jahres 2003 hätten sich 493 Menschen „aus Furcht vor der Abschiebung oder aus Protest“ selbst verletzt oder getötet. Mit Ümit Abay gebe es ein weiteres Opfer der deutschen Asylpolitik, kritisiert Azadi.

„Noch ein Opfer der Flüchtlingspolitik“, kommentierte auch die linke türkische Tageszeitung Evrensel. In Köln sprach CDU-Fraktionschef Karl Jürgen Klipper gegenüber der Kölnischen Rundschau von einem tragischen Schicksal, wollte die Selbstverbrennung aber nicht politisch bewerten. PDS-Ratsfrau Sengül Senol nannte Abay ein Opfer der verfehlten Asylpolitik.