: Raus aus der Isolation
Im Kölner Süden und in Wesseling entstehen neue Beratungsstellungen für Behinderte. Fünf Jahre lang finanziert die Aktion Mensch das Projekt, dann springt hoffentlich der Landschaftsverband ein
Von ANNE HANSEN
Ute Herbst wünscht sich, dass Menschen gleichberechtigt werden. Ob behindert oder nicht. Sie wünscht sich, dass es für Behinderte irgendwann einmal viele Angebote vor Ort gibt, die sie schnell und einfach in Anspruch nehmen, wo sie Kontakte knüpfen können. Genau wie für Nicht-Behinderte. „Natürlich gibt es hier und da mal etwas für Behinderte. Noch sind die Angebote aber alles andere als ausreichend“, sagt die Bereichsleiterin für das „betreute Wohnen und die Verselbstständigung von behinderten Menschen“ der Diakonie Michaelshoven.
Selbstbestimmtes Leben
Den Anfang, das zu ändern, machen jetzt zwei neue Anlaufstellen für geistig-, körper- oder mehrfachbehinderte Menschen. Ab dem ersten April gibt es in Wesseling und im Kölner Süden jeweils ein so genanntes „Zentrum für Lebenshilfen“, das den Behinderten ein selbstbestimmtes und eigenverantwortliches Leben ermöglichen soll. Wo genau die Anlaufstelle im Kölner Süden entstehen wird, entscheidet sich in den nächsten Wochen. Im Gespräch sind Zollstock oder Rodenkirchen.
Neben Einzelberatungen für Eltern und Angehörige und für Menschen mit Behinderungen sollen regelmäßige Gruppen- und Informationsabende angeboten werden. „Uns ist es wichtig, dass die Behinderten, die oft isoliert sind, wieder Kontakt unter einander und zu ihrem sozialen Umfeld bekommen“, sagt Ute Herbst. „Die Behinderten können sich also auch bei uns einfach mal auf einen Kaffee treffen.“ Außerdem will die Anlaufstelle in Krisenzeiten beraten, Hilfepläne für jeden Einzelnen erstellen, bei der Wohnungssuche helfen und Kontakte zu Werkstätten für Behinderte und Firmen herstellen. „Es soll ein großes Netzwerk entstehen“, so Herbst. „Wir wollen dabei eigentlich nur eine Art Vermittlungsstelle sein.“ Dabei sollen Freizeit- und Bildungsmöglichkeiten vermittelt werden, zum Beispiel in Vereinen, Kirchengemeinden oder auch Volkshochschulen.
Träger der neuen Einrichtungen in Wesseling und Köln sind die Diakonie Michaelshoven, die Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung Köln und der Verein Miteinander Leben. „Ohne Fördermittel hätten wir das Projekt wohl nicht starten können“, sagt Ute Herbst. Die nötige Unterstützung kommt von der Aktion Mensch, die fünf Jahre lang das Projekt mitfinanzieren wird. Im ersten Jahr werden 80 Prozent der Personalkosten sowie 20 Prozent der Sachkosten übernommen. Jahr für Jahr wird der Zuschuss dann aber heruntergefahren, so dass die Einrichtung nach fünf Jahren Unterstützung von anderer Seite braucht. Insgesamt belaufen sich die Fördersummen für die Einrichtung in Wesseling, die mit einer Halbtagsstelle besetzt wird, auf 28.043 Euro, für die in Köln sind es 57.559 Euro. „Das Konzept war für uns überzeugend. Jetzt erwarten wir von der Diakonie, dass es auch genau so umgesetzt wird“, sagt Sabine Zühlke, Sachbearbeiterin für Anträge des Diakonischen Werkes bei der Aktion Mensch.
Hoffnung LVR Rheinland
Wenn alles wie geplant laufe, seien nach fünf Jahren solche Zuschüsse nicht mehr nötig, so Herbst. Seit einem Beschluss vom 1. Juli 2003 ist der Landschaftsverband Rheinland (LVR) auch für die Förderung solcher Einrichtungen zuständig. Als Richtwert wird pro 150.000 Einwohner eine Stelle finanziert. Bis zum Jahr 2006 fördert der Verband 63 Einrichtungen im ganzen Rheinland. „Wir hoffen natürlich, dass wir ausgewählt werden und gefördert werden“, sagt Ute Herbst, „und bis jetzt sieht es positiv aus.“ Nur der Richtwert bereitet ihr noch etwas Kopfzerbrechen. „Eine Stelle mit 38,5 Stunden in der Woche ist sicher schnell ausgelastet, aber vielleicht gibt es beim Landschaftsverband ja noch einen gewissen Verhandlungsspielraum, wenn unsere beiden Einrichtungen gut angenommen werden.“
Wie viele Menschen die Einrichtungen in Anspruch nehmen werden, weiß man natürlich noch nicht. Aus Erfahrungswerten ähnlicher Beratungsstellen rechnet man aber mit ungefähr 100 Kontakten im Monat. „Wir sind auf jeden Fall froh, dass wir erst einmal so starten können“, meint Ute Herbst.
Der LVR holt die Diakonie-Mitarbeiterin für einen Augenblick aus ihren Träumen zurück. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass über eine Stelle hinaus gegangen wird. Es ist schließlich eine Richtlinie“, sagt Vera Wasmuth vom LVR und fügt hinzu: „Würde man mehr Stellen einrichten, wäre die Richtlinie ja Humbug.“