: Besuch vom Bundesgerd
Kanzler Gerhard Schröder inspizierte gestern das Land Bremen – weitgehend unter Ausschluss der Öffentlickeit. Mit SPD-Wahlkämpfern an seiner Seite besichtigte der angeschlagene Parteichef Betriebe und spulte Höflichkeitsfloskeln ab
taz ■ Er war wirklich da. Knappe fünf Stunden seiner kostbaren Zeit nahm sich Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) gestern Nachmittag, um seinen einzigen Auftritt im Land während des Bürgerschaftswahlkampfs zu absolvieren – weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Zuerst ging‘s nach Bremerhaven zum Container-Terminal „Wilhelm Kaisen“, wo Schröder mit handverlesenen Mitarbeitern sprach. Dann flog der Kanzler per Hubschrauber nach Bremen, wo er das Raumfahrtunternehmen Astrium und das Airbus-Werks besichtigte. Ein kurzes Stelldichein mit sozial engagierten Bremer Schülern im Rathaus schloss die Visite ab.
Er sei „wirklich sehr beeindruckt gewesen“ von den Betriebsbesichtigungen, flötete Schröder am Ende des kurzen Bremen-Tripps im Rathaus. Er nehme ja aus der Hansestadt „immer nur gute Eindrücke“ mit. Und: „Den positivsten Eindruck habe ich wie immer vom Bürgermeister gewonnen.“
Zur Landespolitik äußerte sich Schröder nur knapp. Am 25. Mai werde nicht über die Bundespolitik entschieden, sondern darüber, „ob Henning Scherf Präsident des Senats bleibt oder nicht“. Er gehe davon aus, dass das der Fall sein werde. Scherf antwortete pflichtschuldigst, dass es sein Ziel sei, „meinen Freund Gerhard Schröder am 25.Mai so richtig strahlen zu lassen“. Während des Besuchs war Scherf dem Kanzler kaum von der Seite gewichen. Nur als Schröder bei Astrium das Weltraumlabor Columbus anschaute, ergriff der Bürgermeister kurzfristig die Flucht – er hatte auf die obligatorische Schutzkleidung keine Lust. „Damit sieht man aus wie eine Hilfskraft in der Kantine beim Kartoffelschälen“, spöttelte Scherf.
Wahlkampf hin oder her – mit finanziellen Zusagen geizte der Bundeskanzler. Bei Astrium versprach er zwar, dass sich der Bund grundsätzlich für die deutsche Raumfahrtindustrie einsetzen werde. Das bedeute jedoch nicht, „dass man ständig mit dem gezückten Geldbeutel durch die Gegend läuft.“ Was den „Schröder-Brief“ betrifft, also die angebliche schriftliche Zusage des Kanzlers, Einnahmeausfälle Bremens durch die Steuerreeform zu erstatten, sprach Schröder den sibyllinischen Satz: „Was wir vereinbart haben, werden wir einhalten – aber nur das, was wir vereinbart haben.“
Der klammheimliche Kanzlerbesuch war natürlich eine Traumvorlage, die sich die politische Konkurrenz nicht entgehen ließ. Die FDP greinte über eine „bewusste Täuschung der Bremer Wähler“. Offenbar habe die SPD „Angst, ihren obersten Bundespolitiker der Bremer Öffentlichkeit zu zeigen“. Etwas subtiler drückte es die CDU aus, die Schröder mit einer Zeitungsanzeige „willkommen“ hieß. Es entspreche „weltoffener, hanseatischer Tradition, einen Gast willkommen zu heißen – insbesondere dann, wenn er Kanzler der Bundesrepublik Deutschland ist“, schrieb die CDU mit vergifteter Freundlichkeit. Markus Jox