Pflegefamilien fühlen sich als Bittsteller

Kinder sollen nicht in teuren Heimen, sondern in Familien untergebracht werden. So will es die Sozialsenatorin. Doch das Amt für Soziale Dienste kommt mit den Zahlungen nicht hinterher. Die Pflegeeltern vermissen nicht nur finanzielle Anerkennung

Bremen taz ■ Kinder, die aus ihren Familien herausgenommen werden, sollen nach dem Willen der Sozial- und Jugendsenatorin möglichst in Pflegefamilien und nicht in Heimen untergebracht werden. Schließlich kostet ein Heimplatz rund 45.000 Euro im Jahr, während Pflegefamilien im Durchschnitt 660 Euro im Monat für ihre Mühen bekommen, bei Kindern mit besonderem Förderbedarf sind es immerhin 940 Euro. Wenn das Geld denn kommt. In den letzten Monaten häuften sich beim Verein „WIR – Pflege- und Adoptivfamilien in Bremen“ die Beschwerden über zum Teil monatelange Wartezeiten auf Zuschüsse, auf plötzliche Zahlungseinstellungen und auf unfreundliche Behandlung durch die Sachbearbeiter.

Man fühle sich wie ein Bittsteller und nicht wie jemand, der eine Vertragseinhaltung einfordert, beschwerten sich einige Eltern am Donnerstagabend auf einem Informations- und Diskussionsabend, zu dem WIR auch die Presse eingeladen hatte. „Wir müssen Kredite aufnehmen, um anderer Leute Kinder zu ernähren“, brachte eine Frau ihre Empörung zum Ausdruck. Aber nicht nur die Pflegeeltern, sondern auch die Tagesmütter, die Kinder tagsüber betreuen, weil eine Mutter arbeitet oder noch zu jung ist, um sich rund um die Uhr zu kümmern, sehen in manchen Fällen ein halbes Jahr kein Geld. Dabei bekommen sie im Schnitt nur 16 Euro am Tag.

Das Amt reagierte wie schon so häufig in der Vergangenheit: Erst wenn konkrete Fälle genannt werden und damit gedroht wird, sich an die Öffentlichkeit zu wenden, schaltet sich die Leitungsebene ein. Am Montag gibt es gar ein Gespräch mit dem Jugendamtsleiter. Am Donnerstag entschuldigte sich schon einmal Herbert Holakovsky vom Amt für Soziale Dienste bei den Pflegeeltern. Vor allem das für Mitte, Walle, Findorff und die Östliche Vorstadt zuständige Sozialzentrum sei aufgrund von Personalmangel und Krankheitsfällen mit der Bearbeitung der Anträge nicht hinterhergekommen, bestätigte Holakovsky. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen seien jetzt angewiesen, mit Abschlägen Zahlungsrückstände über vier Wochen auszugleichen. Während die Personalknappheit ein Problem sei, das letztendlich nur auf politischer Ebene zu lösen sei, habe er für mangelnde Freundlichkeit kein Verständnis. „Das ist keine ausschließliche Frage der Ressourcen, man kann auch in schwierigen Zeiten freundlich bleiben“, sagte er. So habe es über andere Sozialzentren wie etwa Bremen Nord bisher keine Beschwerden gegeben. Den Betroffenen riet er, sich nicht monatelang mit den Sachbearbeitern zu plagen, sondern möglichst schnell Vorgesetzte einzuschalten.

Die Vermittlung von Pflegekindern ist in Bremen seit gut zwei Jahren teilprivatisiert: Die Gesellschaft „Pflegekinder in Bremen“ (PIB) soll dafür sorgen, dass die Zahlen weiter ansteigen und weniger Kinder in Heimen untergebracht werden. Zurzeit sind es rund 650 Heimkinder und -jugendliche, davon lebenvierzig Prozent nicht in Bremen, sondern im Umland. Die PIB-Leiterin Monika Krumbholz hält die Privatisierung für einen Erfolg: „Wir haben viel mehr Pflegefamilien erreichen können als zuvor.“ Als PIB die Vermittlung und Beratung übernommen hat, waren es 374 Kinder in Vollzeitpflege, jetzt sind es bereits 444. Laut Vertrag mit dem Amt sollen es bis Ende 2005 noch sechzig mehr werden. Offensichtlich gibt es Nachholbedarf: In Bremerhaven etwa waren es 2002 alleine 266 Pflegekinder, im Vergleich zu Bremen wesentlich mehr.

Es werde allerdings immer Kinder und Jugendliche geben, die nicht in Familien vermittelt werden können. „Die Frage ist immer, was hält eine Familie aus“, sagt PIB-Leiterin Krumbholz. Manche SachbearbeiterInnen könnten das realistisch beurteilen, „manche haben keinen Schimmer“. Eiken Bruhn