: Resonanzen suchen
Ein immer noch verdrängtes Thema, weil den Betroffenen die Lobby fehlt: Die Romero-Tage beleuchten die Situation von Frauen in Lateinamerika
von Doro Wiese
„In der sozialen Ungerechtigkeit liegt die Hauptursache unserer Probleme. Die Kirche predigt weder Gewalt noch Hass; Frieden ist aber nicht möglich ohne Gerechtigkeit“, ließ sich Oscar Arnulfo Romero, Erzbischof von San Salvador, kurz vor seinem gewaltsamen Tod am 24. April 1980 vernehmen. Der engagierte Geistliche, der nach seiner Ernennung zum höchsten nationalen Kirchenvertreter der Befreiungstheologie näher rückte, gibt den diesjährigen Hamburger Romero-Tagen ihren Namen. Kirchliche Einrichtungen, Solidaritätsgruppen und Menschenrechtsorganisationen haben zahlreiche Veranstaltungen organisiert, in denen laut Programm „vor allem diejenigen sprechen, die für ein menschenwürdiges Leben kämpfen“.
In diesem Jahr liegt der Schwerpunkt auf der Situation von Frauen in Lateinamerika. Neben Vorträgen und Filmen, die sich aktuellen Themen widmen – wie der drohenden Wasserprivatisierung in zahlreichen lateinamerikanischen Ländern oder den vielerorts von Ausbeutung, Bürgerkrieg und Totalitarismus geprägten Arbeitsbedingungen – wird damit ein Themenkomplex ins Zentrum der Betrachtung gerückt, der traditionell wenig Aufmerksamkeit findet. Da Frauen oft als diejenigen angesehen werden, die für andere friedfertig und fürsorglich im Privaten arbeiten, scheinen ihre für die Gesellschaft relevanten Handlungen wenig Resonanz hervorzurufen.
So stehen die für die Romero-Tage ausgewählten Filme und Veranstaltungen quer zum herrschenden Diskurs und intervenieren in ein immer noch vorherrschendes Frauenbild. Am deutlichsten dürfte dieser Bruch in Große Freiheit – Kleine Freiheit zu Tage treten. In dem Film von Kristina Konrad werden Inge Viett und Maria Barhoum porträtiert, die in Deutschland und Uruguay im politischen Untergrund tätig wären. Der Austausch der beiden Frauen, die der RAF und der anarchistischen Bewegung Uruguays angehörten, stellt laut Kritiken einen bewegenden Film dar, der um die Frage kreist, was Freiheit für seine Protagonistinnen bedeutet.
Andere Facetten der Unterdrückungsverhältnisse, denen Frauen ausgesetzt sind, werden in den anderen Filmen verdeutlicht. So beschäftigt sich Marta Rodríguez in Amor, mujeres y flores (Blumen und Frauen) mit den Lebens- und Arbeitsbedingungen von Frauen, die in Kolumbien in der Blumenindustrie tätig sind. Durch den Einsatz von Pestiziden, die in westlichen Industrienationen verboten sind, ist ihre Gesundheit gefährdet; durch Niedrigstlöhne kann die Versorgung der Familien oft nicht gewährleistet werden. Gewalt gegen Frauen wird im Dokumentarfilm Señorita extraviada (Junge Frau vermisst) thematisiert, der sich den bislang ungeklärten Morden an knapp 400 Frauen aus der mexikanischen Grenzstadt Ciudad Juárez widmet. Durch Interviews mit Familienangehörigen, Aktivistinnen und einer Sonderermittlerin wird im Verlauf des Films immer deutlicher, in welche Hilflosigkeit diejenigen versetzt werden, die an Aufklärung und Prävention interessiert sind. Der Film legt nahe, dass dies kein Zufall ist, sondern sich aus der Frauenverachtung der Regierung und der ermittelnden Instanzen speist, die dadurch unterstützt wird, dass sämtliche ermordeten Frauen aus armen Verhältnissen kamen. Der Sicherheit von in Armut lebenden Frauen wird von Regierungsseite keine Beachtung geschenkt, Ermittlungsbehörden können Beweismittel verschwinden lassen und zu spät mit der Falluntersuchung beginnen, weil aufbegehrende Angehörige mit keiner gesellschaftlichen Lobby rechnen können. Amnesty International hat mittlerweile eine Kampagne gestartet, die hier Aufklärung und Verbesserung einfordert (AI Index: AMR 41/027/2003).
5.3.–4.4. Programm unter: people.freenet.de/romerotage