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Archiv-Artikel

Erinnerung an Berufsverbote in Karlsruhe

Oberschulamt blockiert die Einstellung eines Lehrers – wegen Zweifel an seiner Verfassungstreue. Das Indiz: Eine Rede bei einer Gedenkveranstaltung für Nazi-Opfer, in der der Bewerber Kritik am Kapitalismus geübt hatte

FRANKURT/MAIN taz ■ Michael Csaszkoczy trägt auf dem Kopf eine dunkelrote Samtkappe mit blitzenden, runden Spiegelchen und goldenen Tressen. Die bedeckt den gelichteten, blonden Haarflaum, im Nacken ringeln sich fünf bis sechs dunkelbraune Dreadlocks. Das linke Ohr ist mit 17 Ohrringen bestückt, im rechten baumelt ein silbernes Stacheldrahtröllchen, dazu Lederjacke, schwarze Weste, Turnschuhe. Csaszkoczy fällt auf, aber in diesem Jahr nicht so sehr, meint er, denn „im Sommer laufe ich schon mal im Schottenrock durch die Stadt“. Er nennt sich selbst einen Kommunisten, mit Parteien aber, sagt er, habe er „nichts am Hut“. Der Mann möchte Beamter werden im staatlichen Schuldienst in Baden-Württemberg. Ein Kopftuch trägt er nicht – vielmehr könnte seine Gesinnung seine Übernahme in den Staatsdienst verhindern.

Der Pädagoge Csaszkoczy, der in Heidelberg sein Referendariat an einer Haupt- und Realschule absolviert hat, bewarb sich dort im Sommer 2002 auf eine Lehrerstelle. Im Dezember 2003 teilte ihm das Karlsruher Oberschulamt mit, dass seine Einstellung, eigentlich für den 1. Februar 2004 vorgesehen, ein „vertieftes Einstellungsgespräch“ erfordere. Vom Kultusministerium seien Zweifel an seiner Verfassungstreue angemeldet worden. Er müsse sich am 23. Dezember einfinden und Rechenschaft über von 1992 bis 2002 gesammelte Daten und seine mögliche Mitgliedschaft in Parteien oder Gruppierungen „mit verfassungsfeindlichen Zielen“ ablegen. Der Termin wurde verschoben, der vorgesehene Einstellungstermin ist verstrichen.

In der Vergangenheit hatte Csaszkoczy für den Erhalt eines autonomen Zentrums und gegen Nazis demonstriert. Er führt regelmäßig Jugendliche durch die Stadt und zeigt ihnen die Heidelberger Geschichte während des Faschismus, schreibt Artikel gegen Abschiebungen und Krieg und lebte einige Jahre in einem inzwischen geräumten Wagendorf.

Der Kreisverband der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) solidarisierte sich im Februar mit dem verhinderten Lehrer und erinnerte an die Berufsverbotspraxis der 70er-Jahre. Damals wurden vor allem in der DKP organisierte Kommunisten und andere Linke reihenweise für den Staatsdienst gesperrt: Lehrer, Postbeamte, Straßenbahnfahrer. 14.000 Personen wurden überprüft, 1.200 abgelehnt und 260 entlassen. Seit 1979 wurde der so genannte Radikalenerlass nicht mehr angewendet, in einigen Bundesländern wieder aufgehoben. Regelanfragen beim Verfassungsschutz und Begriffe wie Gesinnungsprüfung und Berufsverbot verschwanden in der Mottenkiste der Geschichte. Die GEW erzielte 1995 einen späten Erfolg beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Dieser erklärte die Berufsverbotspraxis für menschenrechtswidrig. Sie verletze die Grundrechte auf Meinungs- und Vereinigungsfreiheit.

Csaszkoczy weiß, dass er oft genug Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes geworden ist. Er habe es mit einer Rede sogar schon mal auf dessen Homepage gebracht. Während einer Gedenkveranstaltung für die Opfer des Faschismus hatte er Kapitalismuskritik geübt. Der Verfassungsschutz wertete diesen Beitrag als „Forderung nach Beseitigung unserer Gesellschaftsordnung“. Csaszkoczy hält das für eine Begriffsverwirrung des Dienstes. Die Kritik am Kapitalismus, einem Wirtschaftssystem, sei keine an der Demokratie als verfasster Gesellschaftsordnung. Etliche Ermittlungsverfahren gegen ihn, „die habe ich aufgehört zu zählen“, sind eingestellt worden. Er nutze die demokratisch abgesicherte Freiheit für seine Proteste. Sein polizeiliches Führungszeugnis, so Csaszkoczy, sei „blütenweiß“. Bei eigenständiger Weltsicht habe er zwar nicht „den missionarischen Eifer, meine Verfassungstreue ständig unter Beweis zu stellen“, aber mit dem Staat als solchem eigentlich „kein Problem“.

Konrad Weber, Pressesprecher des Oberschulamtes Karlsruhe, versicherte inzwischen, dass ein Gespräch mit dem Kandidaten irgendwann in der Zukunft stattfinden werde, eines, wie es „in jedem anderen Unternehmen auch“ mit jedem Bewerber geführt werde. „Die Weltanschauung wird nicht abgefragt.“ Aber „auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung“ müsse Csaszkoczy schon stehen. Der wartet weiter: „Ich fühle mich wie in einer Zeitschleife.“ HEIDE PLATEN