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Archiv-Artikel

Hoch über Kaschmir

US-Emissär bereist Indien und Pakistan im Zeichen einer Annäherung der beiden verfeindeten Länder

DELHI taz ■ US-Unterstaatssekretär Richard Armitage hat gestern eine Reise in den indischen Subkontinent mit Gesprächen in Pakistans Hauptstadt Islamabad begonnen. Gleichzeitig sollte Indiens Außenminister Yashwant Sinha nach Moskau reisen, wo er außer mit seinem russischen Amtskollegen auch mit Armitages Chef Colin Powell zusammentreffen will. Sinha wird wieder in Delhi sein, wenn Armitage am Samstag nach einem Abstecher in Kabul nach Indien fliegt.

Die plötzliche diplomatische Hektik ist die Folge des überraschenden Gesprächsangebots, das Indiens Regierungschef A. B.Vajpayee am 19. April Pakistan machte. Seit dem Terroranschlag auf Indiens Parlament am 13. Dezember 2001 waren die Beziehungen zwischen den Traditionsfeinden zusammengebrochen. Stattdessen standen sich zwei der größten Armeen der Welt gegenüber, jede mit der Drohung mit Nuklearwaffen.

Für diesen Sommer wurde mit dem traditionellen Anschwellen der Infiltration von Kaschmir-Guerillas nach der Schneeschmelze erneut eine Eskalation befürchtet. Bereits früher hatten indische Politiker die Irak-Invasion der USA zum Anlass genommen, den Nachbarn als noch geeigneteren Fall für einen Präventivschlag zu nennen.

Vajpayees Aufruf zu Dialog und Versöhnung nahm den eigenen Hardlinern und auch der von Pakistan unterstützten Untergrundbewegung Kaschmirs den Wind aus den Segeln, umso mehr, als Pakistans Regierung beinahe enthusiastisch reagierte. Beide Seiten kamen Sabotageversuchen aus den eigenen Reihen zuvor, indem sie die Wiederherstellung der diplomatischen Beziehungen und der Verkehrsverbindungen ankündigten.

Armitages Besuch ist schon seit längerem geplant. Beobachter in Indien und Pakistan sind sich einig, dass er einer der Anstöße für Vajpayees Initiative war. In seiner Rede in Srinagar hatte er die kryptische Bemerkung gemacht, Indien und Pakistan sollten überdenken, was in Irak passiert ist. Und die später dementierte Äußerung des US-Irakbevollmächtigten Jay Garner, der Kaschmirkonflikt werde „bis Ende 2004 gelöst“ sein, weckte im Subkontinent Ängste: in Delhi vor einer US-Vermittlerrolle, in Islamabad vor einer militärischen Intervention Washingtons.

In seiner Erklärung vor dem indischen Parlament hat Vajpayee klar gemacht, dass dies seine letzte Friedensinitiative ist. Bereits zweimal ist der Premier mit entsprechenden Initiativen gescheitert. 1999 wurde der Erfolg seiner Busreise nach Lahore zunichte gemacht, als drei Monate später pakistanische Armeeverbände auf indisch besetztem Gebiet entdeckt wurden. Und in Agra wurde er das Opfer eines Haudegen-Auftritts des pakistanischen Herrschers General Musharraf, der unter den Hindu-Nationalisten solche Ängste auslöste, dass sie den Gipfel zum Platzen brachten. Für einen dritten Rückschlag würde Vajpayees Vertrauenskapital nicht mehr ausreichen. BERNARD IMHASLY