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Archiv-Artikel

„Vater wäre stolz“

Gül, Tuba und Armagam besuchen eine Kfz-Werkstatt.Die Türkinnen können sich ein Praktikum hier vorstellen

BERLIN taz ■ Tuba zupft an ihrem Kopftuch, klemmt ihre Handtasche fest unter den Arm und drängelt sich nach vorn. Auf einer Hebebühne der Kreuzberger Autowerkstatt ist ein Unfallwagen aufgebockt. Die Front ist abmontiert, der Blick frei auf die Innereien: Vergaser, Einspritzpumpe, Zylinder. „Interessant, wie ein Motor aussieht“, flüstert die 15-jährige Türkin ihrer Freundin Gül zu. Und laut, in Richtung Werkstattleiter Heckel: „Wie lange dauert so eine Reparatur?“

Johannes Heckel führt die Mädchen durch seine Werkstatt. Eine Männerdomäne, immer noch. Weit aufgerissene Automäuler, große Füße ragen unter aufgebockten Wagen hervor, kräftige Hände montieren eine Autotür. Öllachen auf dem Boden, Motorengeräusche, ein Radio dudelt. Die Mädchen werden neugierig, aber auch misstrauisch beäugt.

Dabei sind die Berliner Realschülerinnen nicht die ersten Frauen hier. Da ist Sarah Peiß, 22 Jahre und Kfz-Lehrling. Vor drei Jahren hat sie ihre Ausbildung begonnen und durchgehalten. Rauhem Umgangston, Machosprüchen und männlichem Beschützergehabe zum Trotz. „Kraft und Mut braucht man hier, um sich durchzusetzen.“ Selbstbewusst steckt sie die Hände in die Taschen ihrer Latzhose: „Schatzi, Püppi und Mausi sagt heute keiner mehr zu mir.“

Tuba ist beeindruckt: „Cool, dass die das so locker nimmt. Wenn ich … mein Vater wäre sehr stolz auf mich. Er ist auch Handwerker.“ Ihre Mutter aber war skeptisch, als sie von der Besichtigung hörte. „Das ist doch was für Männer, hat sie gesagt.“ Das meint auch Gül: „Meine Onkel sind Automechaniker. Es gibt eben Sachen, die können Jungs besser, andere können wir Mädchen besser, die machen wir dann. Nähen zum Beispiel.“ Tuba: „Aber es gibt männliche Designer.“ Gül: „Na, dann Kochen!“ Tuba: „Es gibt Köche.“ Gül schüttelt den Kopf: „Schau mal. Der Lärm hier, der Schmutz – das ist harte Arbeit!“ Doch Tuba widerspricht. „Beim Putzen wird man auch dreckig. Sagen da etwa alle, das sei nur was für Männer?“

Nach zwei Stunden haben die Mädchen alles gesehen. Füllen den Fragebogen aus: Was hat dir gefallen, was nicht, was sind deine Lieblingsfächer, was dein Traumberuf? Tuba zögert, schreibt: Modedesignerin. Gül grinst. Tuba reckt das Kinn: „Aber hier ein Praktikum zu machen, das kann ich mir vorstellen.“ ANNE RUPRECHT