: VW fährt jetzt auch rückwärts
Ein „miserables Ergebnis“ bescheinigt Volkswagen-Chef Pischetsrieder seinem Unternehmen. Harte Einsparungen heißen auf PR-Deutsch „ForMotion“
VON JÜRGEN VOGES
Mehr als eine Hiobsbotschaft hatte VW-Chef Bernd Pischetsrieder gestern bei der Präsentation der Volkswagen-Bilanz für 2003 zu verkünden: Europas größter Autokonzern wird nach dem dramatischen Gewinneinbruch 2003 auch im ersten Quartal des neuen Jahres ein vergleichsweise „miserables Ergebnis“ erzielen. Dem konzernweiten Vier-Milliarden-Euro-Sparprogramm mit dem wohlklingenden Namen „ForMotion“ werden 5.000 Arbeitsplätze zum Opfer fallen, davon „zwischen 2.000 und 2.500“ in Deutschland. Die gesamte Autobranche sei „zu optimistischen Marktprognosen gefolgt“ und von zu günstigen Konjunkturprognosen ausgegangen, konstatierte der VW-Vorstandsvorsitzende. Man müsse „deshalb in Betracht ziehen, dass sich die Rahmenbedingungen auf Zeit nicht signifikant verbessern“.
Solch ehrlichen Pessimismus des Volkswagenchefs quittierte die Börse postwendend mit einem zeitweisen Absturz der ohnehin schwachen VW-Aktie um vier Prozent. Allerdings befindet sich VW, Pischetsrieders Ausführungen zufolge, zwar in rauem Fahrwasser, jedoch keineswegs in einer Krise. Ein miserables Ergebnis für die ersten drei Monate dieses Jahres bedeute keineswegs, dass Volkswagen Verlust machen werde, beruhigte der VW-Chef. Gemeint sei, dass „ein positives Ergebnis miserabel ausfällt“. Und mit „ForMotion“, das keinesfalls nur durch Personalabbau zu weiteren jährlichen Kostensenkungen von einer Milliarde Euro führen soll, will sich Pischetsrieder gegen „Worst-Case-Szenarios“ wappnen, von deren Eintritt er keineswegs bereits ausgehen muss.
Diese Szenarios, für die sich VW nun rüstet, verweisen zugleich auf die Ursachen für den Gewinneinbruch 2003, dem ersten Geschäftsjahr, das der seit April 2002 amtierende Pischetsrieder allein zu verantworten hat.
Als eine Möglichkeit nannte er einen „dauerhaften US-Dollar-Kurs über 1,30 Euro“. Nach Angaben seines Finanzvorstandes Dieter Pötsch wäre der Konzernumsatz 2003 von 87 Milliarden Euro ohne die Dollarschwäche um 3,5 Milliarden Euro höher ausgefallen. Künftig soll nun ein größerer Teil der Autos im Wert von zwölf Milliarden Euro, die VW in den Dollarraum exportiert, dort selbst gefertigt werden. Auch die Absicherung der Exporte gegen Wechselkursverluste wird auf einen 70-Prozent-Anteil ausgeweitet.
Als weitere Optionen nannte Pischetsrieder eine anhaltende Stagnation der Automobilmärkte und eine „dauerhafte Reduzierung der tatsächlichen Verkaufspreise“ (siehe Text unten). Wie wenig sich das Unternehmen auf eine gleich bleibende Nachfrage eingestellt hat, zeigt wieder das vergangene Jahr: Der Konzern konnte, anders als 2002, über fünf Millionen Fahrzeuge ausliefern und seinen Weltmarktanteil immerhin von 12,0 auf 12,1 Prozent erhöhen. Dennoch sackte der Gewinn ab.
Die unter „ForMotion“ firmierenden geplanten Einsparungen sind ein Programm, das laut Pischetsrieder aus rund 100 Einzelpunkten besteht. Aus ihnen hat der VW-Chef „sieben Themenkreise“ bilden lassen, für die jetzt jeweils ein Vorstandsmitglied verantwortlich – und haftbar – ist. Beim Personalabbau sind nach VW-Tradition keinesfalls Entlassungen geplant. Bis Ende kommenden Jahres würden den Automobilbereich ohnehin „4,4 Prozent des indirekten Personal“, also der nicht unmittelbar in der Produktion tätigen Mitarbeiter, „durch natürliche Fluktuation oder Vorruhestandsregelung verlassen“. Für die deutschen Standorte sei eine Vorruhestandsregelung bereits 2003 unterzeichnet worden. Nur jeden fünften der beim indirekten Personal frei werdenden Arbeitsplätze will der Vorstandsvorsitzende künftig wieder besetzen.
Allein die Produktionskosten will Pischetsrieder in zwei Jahren um 800 Millionen Euro senken, und zwar vor allem durch den Einsatz gleicher Komponenten in verschiedenen Modellen. Bevor eine Komponente eines Fahrzeugs neu entwickelt wird, ist künftig nachzuschauen, ob es ein passendes Teil nicht im Konzern schon gibt.
Rationalisieren will der VW-Chef auch den Vertrieb. Der auch im vergangenem Jahr profitable Finanzdienstleister VW Financial Services soll seine Geschäfte mit Mietwagen, Gebrauchtwagenverkauf und der Finanzierung ganzer Fahrzeugflotten für Firmen ausweiten. Wenigstens eine Erfolgsmeldung.