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Archiv-Artikel

Präsentationen der eigenen Freizügigkeit

Wenn das Ich sich nicht mehr in Kleidung versteckt, fallen alle Masken: Die Italienerin Alba D‘Urbanos widmet sich dem Körper in der Kunst. Dass dieser wandelbar wie eine Modekollektion sein kann, zeigt ihre Ausstellung „Whoami“ in der Kieler Stadtgalerie

von MARC PESCHKE

Ein forschendes Who am I, die Frage nach dem Wesen des eigenen Ichs, steckt immer in der Kunst von Alba D‘Urbano. In ihren Fotoarbeiten, Videos, Computeranimationen, Rauminstallationen und vor allem in vielen hybriden Mischformen zwischen den Medien, welche die 1955 geborene italienische Künstlerin schon immer interessiert haben.

Bekannt geworden ist die Professorin an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig für ihre eigenwillige Haute Couture, für eine Modekollektion, auf deren Stoff der nackte Körper der Künstlerin zu sehen war. Da gab es kein Verstecken: eine Mode, die nicht verhüllte, sondern freizügig ausstellte, was sonst verborgen bleibt. Dem Körper, das ganz große Thema der Kunst der achtziger und neunziger Jahre, gilt auch das ausschließliche Interesse Alba D‘Urbanos.

Nackt ist Ich

Im Zentrum der Retrospektive, die jetzt in den großzügigen Räumen der Kieler Stadtgalerie zu sehen ist, steht eine Installation aus der Modekollektion, die D‘Urbano Il Sarto Immortale genannt hat, was soviel wie „Der unsterbliche Schneider“ bedeutet. Von der Decke hängen Röcke, Shirts, Hosen und Kleider, die nichts als die nackten Körperpartien der Künstlerin zeigen. Verhüllung und Zurschaustellung in einem Moment.

Doch Alba D‘Urbanos Konzept umfasst nicht nur das Endprodukt, sondern stellt auch den Weg dahin aus. „Ich trete für die Transparenz des Prozesses ein“, sagt die Künstlerin. Parallel entstanden Werbeplakate für die Kollektion, Dokumentarfotografien der Produktion oder auch Ausdrucke von Schnittmustern aus langen Transparentpapierbahnen, die in der Ausstellung zu sehen sind. Im Wiesbadener Kunstverein ließ D‘Urbano vor Jahren sogar ein öffentliches Schneideratelier einrichten.

Interaktion – auch so ein Zauberwort der Kunst – macht bei Alba D‘Urbano mal wieder richtig Spaß. Touch me, die bekannte Videoinstallation aus dem Jahr 1995 funktioniert immer noch: Auf einem Bildschirm ist die Künstlerin selbst zu sehen, die dem Betrachter Handküsse zuwirft und einlädt, sie zu berühren. Doch folgt man der Einladung, zerstört man das Bild. Hautpartien lösen sich nach und nach auf und werden durch Aufnahmen des Betrachters davor ersetzt. Künstlerin und Betrachter verschmelzen miteinander.

Eher in die Rolle der Dokumentaristin ist D‘Urbano für ihr Video La Nascita di Venere (“Die Geburt der Venus“) geschlüpft: Etwa eine Stunde hat sie ihre Studenten und Studentinnen in Leipzig gefilmt, die über ihr Leben als Künstler, über die Ausbildung und ihre Zukunft sprechen. Man sieht es in den jungen Gesichtern, die allesamt so verschieden sind: Der Weg ist nicht immer einfach und oft fühlt man sich als Spielball verschiedener Kräfte, die am eigenen Ich zerren und drängen. Genauso wie in dem Computerspiel Tracielo e terra, in dem zwei Spieler mit dem Ebenbild der Künstlerin (zu sehen nackt in der Badewanne) Pin-Ball spielen dürfen. Das macht Spaß - und es ist ja nur ein Spiel, oder?

Natürlich ist es mehr: Der Körper ist ein Spielball, er ist zerlegbar und so reproduzierbar wie eine Modekollektion. Er ist eine Kugel, die über Banden rast so wie beim Pool Billard. Der Körper ist verfügbar – auch das ist eine Essenz der Kieler Retrospektive. Eine andere ist: Auf die Frage nach dem Wer bin ich? gibt es keine eindeutigen Antworten.

Stadtgalerie Kiel, bis 21. März, Di–Mi, Fr 10–17 Uhr, Do 10–19 Uhr, Sa+So 11–17 Uhr. Katalog 15 Euro.