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Archiv-Artikel

Berliner CDU sucht Trümmermänner

Am Anfang die Hoffnung, am Ende nur Verzweiflung: Schon wieder braucht die Hauptstadt-Union neue Köpfe. Nach ihrem feingeistigen Landesvorsitzenden Christoph Stölzl hat jetzt auch der gröber gewirkte Fraktionschef Frank Steffel aufgegeben

Die CDU steht, wo sie nach Diepgens Sturz schon einmal stand: am Anfang

aus Berlin STEFAN ALBERTI

Vor kaum vier Wochen hieß es in der Berliner CDU noch stolz: Die personelle Erneuerung des Landesverbands sei abgeschlossen und die Auseinandersetzung mit der rot-roten Landesregierung eröffnet. Jetzt steht diese vermeintlich renovierte Union vor einem Scherbenhaufen: Am Sonntagabend warf der umstrittene Fraktionschef Frank Steffel, 37, das Handtuch: Eine sinnvolle Arbeit sei nicht mehr gewährleistet. Tage zuvor hatte schon Landeschef Christoph Stölzl, 59, angekündigt, beim Parteitag am 24. Mai nicht mehr zu kandidieren.

Ein Nachfolger für Steffel soll diese Woche gewählt werden. Stölzl und weitere CDU-Abgeordnete forderten jedoch, den Parteitag abzuwarten. Als mögliche neue Fraktionschefs gelten Exfinanzsenator Peter Kurth, 43, der auch Landeschef werden will, und der erst 32-jährige Haushaltsexperte Nicolas Zimmer.

Es seien letztlich zu viele Schläge gewesen, heißt es in der Partei. Steffels Rückzug waren Tage heftigen Dauerfeuers vorausgegangen, das die schon zur Gewohnheit gewordene Kritik an ihm noch überstieg. Steffel sei ein unverkäuflicher Politiker, die Union mit ihm weder wählbar noch regierungsfähig, hielten ihm zwei Unternehmer mit CDU-Parteibuch vor. Der Schatzmeister machte ihn verantwortlich für die CDU-Spendenflaute.

Die rund 14.000 Mitglieder zählende Berliner Union steht damit da, wo sie vor 19 Monaten schon einmal stand: am Anfang. Vor knapp zwei Jahren war über die Affäre der landeseigenen Bankgesellschaft die große Koalition mit der SPD zerbrochen, im Oktober 2001 straften die Berliner die Partei bei Neuwahlen mit dem schlechtesten Ergebnis seit 50 Jahren ab. Die Union rutschte mit Steffel als Spitzenkandidat von 40,8 auf 23,8 Prozent ab, konnte sich nur mit Mühe zumindest als zweitstärkste Fraktion vor der PDS behaupten.

An der Führung der Partei änderte das hingegen nichts: Landesvorsitzender blieb der im Sommer als Regierender Bürgermeister geschasste Eberhard Diepgen, der Fraktionschef hieß weiter Frank Steffel, dessen Spitzenkandidatur von zahlreichen Peinlichkeiten begleitet war. Diepgen stolperte erst ein halbes Jahr später: Als er nicht nur in den Bundestag drängte, sondern dafür auch die Landesliste der Union anführen wollte, zog die Parteibasis nicht mehr mit.

Steffel hingegen blieb zwar Dauerschlusslicht bei Beliebtheitsumfragen. Seiner Position in der Partei tat das aber keinen Abbruch. Nach CDU-internen Wahlen auf Kreisebene im März und April schien er sogar gestärkt. Zwar musste Steffel 2002 Pläne aufgeben, auch den Landesvorsitz zu übernehmen, als die Partei einen Diepgen-Nachfolger suchte. Doch der im vergangenen Jahr als neue Leitfigur der Union gefeierte Christoph Stölzl, erst 2001 in die CDU eingetreten, fand sich nach seiner Wahl eingebettet in einen Vorstand, in dem Steffel den Ton angab. Zu sehr blieb Stölzl, zuvor Direktor des Deutschen Historischen Museums, Welt-Feuilletonchef und Kultursenator, ein Fremdkörper in der nicht von intellektuellen Debatten, sondern von Strippenzieherei geprägten Berliner CDU.

Als Stölzl vor zwei Wochen ankündigte, beim nahen Landesparteitag nicht wieder zu kandidieren, schien sich Steffel endgültig durchgesetzt zu haben. Neuer Parteivorsitzender sollte der der über Parteigrenzen respektierte dienstälteste Parteivize und Bezirksbürgermeister Joachim Zeller werden. Der gebürtige Ostdeutsche gab jedoch jenen eine Vorlage, die ihn ohnehin als Marionette betrachteten: Er werde Steffel unterstützen, zu dem er als Fraktionschef keine Alternative sah, sagte Zeller im taz-Interview.

Ein derart auf Steffel fixierter Mann auch an der Parteispitze, das rüttelte die inzwischen fast schon resignierten Steffel-Gegner auf. Auf immer größeren Druck hin erklärte Exfinanzsenator Kurth seine Gegenkandidatur. Er war immer wieder für Spitzenjobs in Partei und Fraktion im Gespräch, hatte aber bislang nie darum kämpfen mögen.

Geht es nach der Meinungsforschung, tut Steffel der Union mit dem Rücktritt einen Gefallen. Mit ihm sei kein Neuanfang möglich, sagte jüngst Forsa-Chef Manfred Güllner: „Steffel ist ein Klotz am Bein der CDU.“ Den ist sie jetzt los.