piwik no script img

Ausflug ins Treibhaus

Die Belastungen des Klimas durch den Flugverkehr wurden bisher deutlich unterschätzt. Wolkenbildung fünfmal schädlicher als Kohlendioxidausstoß

VON HANNA GERSMANN

Der Flugverkehr schädigt das Klima doppelt so stark wie bislang angenommen. Das ist das alarmierende Ergebnis einer Studie im Auftrag der Europäischen Kommission. Sie ließ Forscher von zehn renommierten europäischen Forschungszentren drei Jahre lang den Einfluss der Fliegerei auf das Klima untersuchen – darunter auch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und die ETH Zürich.

Die Experten mussten feststellen, dass die Wolkenbildung viel kritischer ist als vermutet. Dabei handelt es sich nicht nur um die weithin sichtbaren Kondensstreifen, sondern um Schleierwolken in einer Reisehöhe von gut acht Kilometern. Sie spielen beim Treibhauseffekt eine fünfmal so große Rolle wie das Kohlendioxid, heißt es in der unveröffentlichten Studie, deren Zusammenfassung der taz vorliegt. Dazu kommt die aufheizende Wirkung von Stickoxiden und Wasserdampf aus den Triebwerken.

Grund für die Wolkenbildung sind Schwefel- und Rußpartikel, die von den Triebwerken ausgestoßen werden. An ihnen kondensiert die Feuchtigkeit aus der Luft. Die entstehende Wolke wirkt dann wie das Glasdach eines Treibhauses: Zwar kommen die Sonnenstrahlen hinein, doch wird die Abstrahlung der Erdwärme ins Weltall gebremst.

Im Zahlen heißt das: Der Flugverkehr hat bereits im Jahre 2000 den klimaschädigenden Effekt, den Experten bisher erst für das Jahr 2020 prophezeit hatten. Und statt angenommen 3,5 Prozent macht er 9 Prozent an der derzeitigen Erwärmung aus.

Die Wissenschaftler suchen nach Abhilfe. „Noch können wir aber keinem Politiker raten, was richtig ist“, sagt Robert Sausen vom DLR, der an der Studie beteiligt ist. Die Sache ist kompliziert: Würden die Piloten nur zwei Kilometer tiefer fliegen und feuchten Luftmassen ausweichen, könnte der Schaden eingedämmt werden. Nur braucht, wer die Flugroute so ändert, womöglich mehr Sprit.

Die Studie stärkt Umweltverbände wie Germanwatch und den Bund für Natur und Umwelt, die seit Jahren eine Kerosinsteuer oder Emissionsabgabe für Flieger fordern. Heute, zur Eröffnung der Internationalen Tourismusbörse in Berlin, machen sie allerdings einen anderen Vorschlag: Fluggesellschaften sollen genauer informieren müssen. Ein Flug von Frankfurt nach Los Angeles belastet das Klima zum Beispiel genauso wie 60.000 Kilometer Fahrt im Auto – bei 8,5 Liter Spritverbrauch auf 100 Kilometer.

Zudem fordern die Umweltschützer auf Flugtickets Warnhinweise ähnlich denen auf Zigarettenschachteln: „Fliegen verursacht tödliche Klimaschäden.“ Oder: „Ihr Bahnschalter oder Ihr Reisebüro kann Ihnen dabei helfen, das Fliegen aufzugeben.“

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen