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Archiv-Artikel

Ein kleiner Erfolg

Allergien können schon für Erwachsene zur Hölle werden. Wie sieht es erst bei Babys aus, die Leiden nicht erklären können? Linderung verspricht der Hersteller einer silberdurchwirkten Spezialkleidung

VON MARIA LESHER

Unsere Tochter ist 18 Monate alt. Mit drei Monaten wurde Neurodermitis diagnostiziert. Seitdem hat die Krankheit unser Leben verändert. Lebensmittel, Kleidung, Bettwäsche – alles wird auf Allergiegefährdung untersucht.

Hauptsächlich an den Händen und an den Füßen zeigen sich rote, stark juckende Stellen. Im Gesicht ist die Wange betroffen. Die roten Male verwandelten sich in offene, aufgekratzte Wunden. Sämtliche Cremes schienen ihre Wirkung verloren zu haben.

Ein Kinderarzt verwies auf eine neuartige silberbeschichtete Kleidung. Unter den üblichen Kleidungsstücken getragen, soll sie durch antibakteriellen Effekt des Silbers den Juckreiz lindern und die Hautentzündungen verbessern. Ein weiterer wütender Ausbruch der Krankheit zermürbt Kind und Eltern – die Kleidung bekommt eine Chance.

Anruf bei der Krankenkasse: Die Kleidung ist dort unbekannt, Kosten dafür werden ohnehin nicht übernommen. Doch im Internet findet sich schließlich die gewünschte Firma. Telefonisch wird eine Strumpfhose aus dem Wundermaterial bestellt. Innerhalb einer Woche kommt ein kleines, silbernes Paket. Die Hose wirkt elegant, ist aus weichem, silberschimmerndem Gewebe.

Die Krankheit hat sich inzwischen an den Beinen ausgebreitet, das gesamte Schienbein ist betroffen und greift auf das Knie über. Am schlimmsten sind die Fußbeugen betroffen: Aggressiv rot leuchtend die Stellen, teils blutig gekratzt, teils verkrustet.

1. Tag. Nachts unter den Body angezogen, zeigt das Material erste Ermüdungserscheinungen. Im Schritt findet man kleine Flusen, der Stoff ribbelt auf. Also ziehen wir das nächste Mal die Hose über Body und Windel. Immerhin liebt unsere Tochter das Material. Begeistert streicht sie mit den Händen über die kühle Oberfläche und versucht auch nicht sofort, an die juckenden Stellen am Fuß zu kommen.

2. Tag. Nichts. Die Haut sieht aus wie immer. Dabei hat sie die Hose Tag und Nacht getragen. Laut Hersteller soll am dritten Tag eine Besserung eintreten.

3. Tag. Ist da eine leichte Linderung der Hautröte? Oder ist das nur unsere Hoffnung, vielleicht der günstige Lichteinfall? Ihre Handschuhe, die sie zeitgleich von der Oma bekam, versetzen sie in Begeisterungsstürme. Sie klatscht damit, lacht und lässt sie gerne nachts an. Nur kann sie nicht mehr nach ihrem Schnuller greifen. Deshalb ist sie nachts unruhig – aber nicht wegen des Juckreizes. Tagsüber ist es unmöglich, sie ihr anzuziehen. Sie streift sie zum Spielen ab, das Material ist nicht belastungsfähig genug.

4. Tag. Die Superhose geht in die Wäsche.

5. Tag. Die Rötungen an den Beinen sind nur noch schwach ausgeprägt, die offene Stelle scheint abgeheilt. Sobald jedoch die Silberkleidung ausgezogen wird, kehrt der Juckreiz wieder. Also: anlassen. Zum Glück verträgt sich die Kleidung mit den Cremes. Tatsächlich scheint nicht das Gewebe, sondern ihre Haut die Lotion zu absorbieren.

6. Tag. Die Haut ist immer noch trocken, aber der Juckreiz und die stark geröteten Stellen sind verschwunden. Sie scheint in der Hose weder zu schwitzen noch zu frieren. Ein Erfolg auf voller Linie. Nur: Die Beine und Füße nehmen eine ungewöhnliche Schwarzfärbung an.

7. Tag. Der Belastungstest. Unsere Tochter bekommt zu ihrem Vergnügen Schokolade mit Nüssen: eine Todsünde, da die Haut innerhalb kürzester Zeit reagiert. Dort, wo die Silberkleidung die Haut nicht bedeckt, geschieht dies erwartungsgemäß. Vor allem im Gesicht und an den Armen erscheinen rote Stellen. Die Haut an den Beinen bleibt dagegen ruhig und unbelastet.

Teure Anschaffung

Die Preise für diese spezielle Kleidung sind happig. Da sie auch gewaschen werden muss, ist eine doppelte Ausstattung zwar zu empfehlen, aber angesichts des Preisniveaus kaum zu machen. Bei Kleinkindern kommt nicht nur die Beanspruchung des Materials hinzu, sondern auch das schnelle Wachstum, das einen halbjährlichen Neukauf der Kleidung erfordern kann.

Schon die kleinste Strumpfhose kostet 80 Euro. Ein Paar Handschuhe sind bei immerhin 21 Euro, und auch der Body schlägt in der mittleren Größe mit rund 80 Euro zu Buche. Ein vollständiges Set für einen Erwachsenen, bestehend aus langer Unterhose und langärmligem T-Shirt, kostet rund 400 Euro. Das Bettwäscheset für eine ruhige Nacht liegt in der gleichen Preiskategorie.

Bisher ist die silberbeschichtete Kleidung nicht im Heil- und Hilfsmittelplan der Krankenkassen aufgenommen. Daher empfiehlt der Bundesverband Neurodermitiskranker in Deutschland folgende Vorgehensweise: Zunächst sollte ein Abstrich von den belasteten Hautstellen gemacht werden, damit ein Befall mit den Bakterien festgestellt werden kann. Bei einem positiven Befund sollte vom Arzt ein Privatrezept ausgestellt werden. Damit kann nun eine Kostenübernahme bei der Krankenkasse beantragt werden.

„Die silberbeschichtete Kleidung wird nicht als Hilfsmittel im klassischen Sinne eingestuft, sondern gilt als Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens – und damit ist sie keine Kassenleistung“, meint etwa Michaela Speldrich von der Techniker Krankenkasse (TK). Allerdings sei bislang noch kein Antrag auf Kostenübernahme eingegangen. Sollte dies geschehen, würde die TK vermutlich die Anträge zur Einzelfallprüfung an den medizinischen Dienst der Kassen weitergeben.

Schlecht stehen die Chancen für die Betroffenen nicht, meint Jürgen Pfeifer, Vorsitzender und Bundesgeschäftsführer des Bundesverbandes Neurodermitiskranker in Deutschland: „In spätestens ein bis zwei Monaten müsste die Entscheidung gefällt werden, ob die Kleidung in den Plan aufgenommen wird.“ Er selbst glaubt fest daran: „Die silberbeschichtete Kleidung macht die Anwendung von antibiotischen Salben unnötig und verhindert die gefürchteten Superinfektionen.“ Das sei in Studien nachgewiesen. Auf Dauer, so Pfeifer, würde die Kleidung den Kassen Geld sparen. Zudem komme es nicht mehr zu den gefürchteten Resistenzen der Bakterien gegen Antibiotika. So überzeugt ist der Verband von der Kleidung, dass er sich nicht nur für die Aufnahme in den Heil- und Hilfsmittelplan einsetzt, sondern der Kleidung das verbandseigene Prädikat „empfehlenswert“ verliehen hat.

Bundesverband Neurodermitiskranker in Deutschland e. V, Oberstraße 171, 56154 Boppard, Tel. (0 67 42) 8 71 30, www.neurodermitis.net, info@neurodermitis.netHersteller: Tex-A-Med GmbH, Ellrodstr. 5, 95482 Gefrees, Tel. (0 92 54) 9 62 10, www.texamed.de, texamed@texamed.de