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Archiv-Artikel

„Afrika für Einsteiger“

Touristiker verkaufen die gambische Küste gern. Doch als sich die Regierung auf Druck der einheimischen Kleinunternehmen gegen All-inclusive-Anlagen aussprach, machten die Veranstalter einen Rückzieher, und all-inclusive steht auf dem Prüfstand

VON GÜNTER ERMLICH

Gambia ist ein vergleichsweise sicheres Reiseziel, es gibt keine Bomben, keine Entführungen, nur Kleinkriminalität. Trotzdem basteln die Tourismuspolitiker eifrig an einer Kurskorrektur: Um das Image als billiges Pauschalreiseziel abzulegen, wo man im Winter viel Sonne für wenig Geld tanken kann, um neue Zielgruppen zu erschließen und künftig Touristen vom Strand auch ins Landesinnere zu locken, ersetzte die Gambia Tourist Authority den Werbeslogan „Die lächelnde Küste“ durch „Gambia – Ihr sicherer Hafen in Afrika“.

Mithilfe kleiner Veranstalter sollen nun Natur und Kultur des Landes stärker vermarktet werden. Dazu gehören Ausflüge in Booten, die meist von der Lamin Lodge, einem Pfahlbau-Restaurant im Mangrovendelta, durch die Seitenarme des Gambia-Flusses führen. Bei mehrtägigen Exkursionen auf einer Piroge flussaufwärts nach Georgetown schlafen die Gäste an Deck unterm Moskitonetz oder in einer einfachen Lodge am Ufer. Abseits vom Strand, lautet die Botschaft, liege das „wahre“ Gambia. „Bumsters“ heißen in Gambia Beach Boys, die sich an die Fersen der Besucher heften. Bumstern kann im Gambia vielerlei bedeuten: Mal wollen die meist arbeitslosen, jungen Männer den Gästen Uhren und Kettchen aufschwatzen oder sie auf Ausflügen begleiten, mal trachten sie danach, die Fremden zu „erleichtern“, manchmal möchten sie aber einfach nur ins Gespräch kommen. Oder sie bieten Massagen an und verkaufen ihren Körper allein reisenden Touristinnen aus Skandinavien oder Deutschland, in der Hoffnung, deren Urlauberherzen zu brechen und später ein Flugticket nach Europa zu ergattern.

Meist sind die Wegelagerer freundlich, nur selten aggressiv, doch fühlten sich in den vergangenen Jahren viele Besucher derart belästigt, dass sie die Hotelanlagen kaum mehr verließen. Als dann jeder zweite Urlauber im Gästefragebogen angab, wegen der „Strandplage“ Bumster nicht mehr nach Gambia zurückkehren zu wollen, sahen Veranstalter und Regierung das einträgliche Tourismusgeschäft bedroht.

Staatspräsident Jammeh, der sich 1994 an die Macht geputscht hatte, erklärte den Bumsters den Krieg („null Toleranz“) und ließ eine neue Einheit der Militärpolizei patrouillieren, um die aufdringlichen Jungs vom Strand zu vertreiben. Mit einigem Erfolg. Heute verdingen sich ehemalige Bumsters als Gepäckträger am Flughafen, andere haben eine Schulung zum lokalen Guide gemacht und warten – als „offizielle Bumsters“ in blauer Uniform – vor den Hotels auf Kundschaft. Und für die Vereinigung touristischer Kleinunternehmen (Asset) verkaufen jetzt zwei Dutzend ehemalige Bumsters das informative Touristenmagazin Mango News am Strand. Vom Verkaufspreis können sie die Hälfte behalten.

Gambia, einst britische Kolonie und seit 1965 unabhängig, wird als anglophone Enklave vom frankophonen Senegal umschlossen. Im Grunde besteht der Ministaat an Afrikas Westküste aus dem Gambia-Fluss und seiner stellenweise nur 25 Kilometer breiten Uferzone mit Mangrovensümpfen und Reisfeldern. Acht Ethnien, darunter die Mandingo, Wolof, Fulbe und Jola, leben auf engstem Raum miteinander. Über 90 Prozent der Bevölkerung sind Muslime.

Als Urlaubsland wurde Gambia vor knapp 40 Jahren von den Schweden „entdeckt“. Seitdem steckt man ausländische Besucher – im letzten Jahr kamen nahezu 90.000, vor allem Engländer, Deutsche, Holländer und Skandinavier – in international normierte Hotelanlagen. Austauschbare „Garagendörfer“ im Stil karibischer Vier- oder Fünfsterneresorts. Poolbar und Klimaanlage, Happy Hour und Animation – Afrika bleibt weitgehend draußen.

Als ein deutscher Reiseveranstalter vor sieben Jahren das Sunwing-Hotel zum ersten All-inclusive-Club machte und die Gäste die Ferienanlage überhaupt nicht mehr verließen, sahen sich Taxifahrer, Restaurantbesitzer, Reiseleiter und Souvenirverkäufer vom touristischen Geschäft ausgegrenzt und protestierten vehement. Unter ihrem Druck verhängte die Regierung im Jahr 1999 ein generelles Verbot von All-inclusive (AI), das sie ein paar Monate später allerdings wieder aufheben musste, weil sich nun die internationalen Reisekonzerne zurückzogen. Seit Jahren gibt es Planungen, fernab von bestehenden touristischen Infrastrukturen an der südlichen Küste neue AI-Hotels zu errichten. Zurzeit finanziert die Afrikanische Entwicklungsbank mit umgerechnet rund 400.000 Euro eine Masterplan-Studie, in der der gesamtwirtschaftliche Nutzen des Tourismus auf dem Prüfstand steht. Dabei wird auch ausgelotet, wie All-inclusive-Angebote sozialverträglich und wirtschaftlich effizient aussehen könnten.

Die meisten Pauschalurlauber verlassen ihre Strandburgen ohnehin nur für die „Roots“-Tour, einen organisierten Bootsausflug nach Juffure am Nordufer des Gambia-Flusses. Das Dorf wurde durch Alex Haleys Familiensaga „Roots“ und die gleichnamige Fernsehserie weltbekannt. Von hier stammt sein Held Kunta Kinte, der – wie sieben Millionen andere Schwarze im 18. und 19. Jahrhundert – von weißen Sklavenhändlern aus Westafrika nach Amerika verschleppt wurde. Juffure ist eine touristische Pilgerstätte, Legionen schwarzer Amerikaner suchen hier nach ihren afrikanischen Wurzeln.