Politik auf der Poststelle

Aids-Hilfe und Junkie-Netzwerk legen Unterschriften für Spritzentausch in Hamburger Gefängnissen vor. In der Justizbehörde aber will die niemand entgegennehmen

In der Justizbehörde wollte niemand die Unterschriften entgegennehmen. Statt sie dem Senator oder zumindest einem seiner Mitarbeiter mit erklärenden Worten in die Hand zu drücken, mussten die VertreterInnen der Deutschen Aidshilfe und des Selbsthilfenetzwerkes von Junkies „Jes“ gestern bei der Poststelle die Liste hinterlegen. Auf dieser fordern 3240 Menschen aus dem ganzen Bundesgebiet, in Hamburger Gefängnissen wieder den Spritzentausch für drogensüchtige Insassen einzuführen.

Den hatte der rechte Senat im Februar vorigen Jahres abgeschafft. Und damit, sagt Marco Jesse von Jes, hinter Gittern „Sonderrealitäten“ geschaffen: „Für Drogengebraucher im Knast müsste es die gleichen Angebote geben wie draußen auch.“ Mutwillig nehme der Senat in Kauf, dass die Zahl der Neuinfektionen mit HIV oder Hepatitis dadurch steigt, dass sich mehrere süchtige Gefangene eine Spritze teilen.

Auch Heike Lindhorst-Schmidt vom „Bundesverband der Eltern und Angehörigen für akzeptierende Drogenarbeit“ fordert, Prophylaxe durch die Ausgabe steriler Spritzen zu betreiben: „Wir verlangen vom Senat, die Gesundheit unserer Kinder im Vollzug zu sichern.“

Dorothee Freudenberg, gesundheitspolitische Sprecherin der GAL-Fraktion, erinnert daran, dass ein Gleichbehandlungsgrundsatz besteht: Menschen im Gefängnis haben Anspruch auf die gleiche medizinische Betreuung wie außerhalb. Durch den demonstrativen Abbau der Spritzenautomaten aber, der „sehr symbolträchtig“ war, habe der Senat gezeigt, dass dieser Grundsatz für ihn nicht mehr gilt. Aktuellen Zahlen zufolge sind bundesweit 80 bis 90 Prozent der drogensüchtigen Insassen mit Hepatitis C, 50 bis 60 Prozent mit Hepatitis B infiziert. In Hamburg sind laut Freudenberg zwischen 1,5 und 4,3 Prozent aller männlichen und weiblichen Insassen HIV-positiv.

Freudenberg kritisierte auch, dass die im Gegenzug angekündigten neuen Angebote für ausstiegswillige Insassen bisher nicht umgesetzt worden sind. Im Gegenteil habe der Senat inzwischen auch noch die Dauersubstitution mit Methadon eingestellt. Rainer Schmidt von der Drogenberatung „Palette“ weiß, dass sich durch diese rigide Politik die Spannung unter den Gefangenen verschärft habe. „Die Angst im Knast vor Neuinfektionen nimmt zu“, sagt Schmidt: „Und Menschen, die Angst haben, sind erpressbar. Die Knasthierarchien haben sich seit Abschaffung des Spritzentausches verändert.“ ELKE SPANNER