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Archiv-Artikel

Militär mit Meinung

Neben „Figaro“ und „Express“ fallen 68 weitere französische Blätter anden Rüstungsindustriellen Serge Dassault (78). Diktiert er jetzt die Inhalte?

AUS PARIS DOROTHEA HAHN

Wenn Sie französische JournalistInnen treffen, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass Sie es mit Beschäftigten der Rüstungsindustrie zu tun haben. Erst recht seit dem Ende der vergangenen Woche. Da nämlich beschloss der Konzern Dassault, der unter anderem die Kriegsflugzeuge „Mirage“ und „Rafale“ baut und Kampfflugzeuge aller möglichen Länder mit elektronischem Gerät ausstattet, seine Anteile an der größten französischen Zeitungsgruppe massiv zu erhöhen. Dassault will 82 Prozent des Kapitals der Gruppe Socpresse übernehmen. Damit fallen traditionsreiche Medien wie die konservative Tageszeitung Figaro, das Wochenmagazin Express und weitere 68 Blätter aus sämtlichen Provinzen in die Hände der Rüstungsindustrie.

Serge Dassault, der 78-jährige Generaldirektor der „Groupement Industriel Marcel Dassault“ (GIMD), hat mit dem Einkauf mehr vor als eine Veränderung und Verbreiterung der Aktivitäten seiner Familienholding. Er ist, wie vor ihm schon sein Vater, nicht nur Industrieller, sondern auch Politiker. Er ist Freund von Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac, Mitglied von dessen neogaullistischer Partei und Bürgermeister der westlich von Paris gelegenen Gemeinde Corbeil-Essonnes. Serge Dassault will mit seinem neuen Imperium nicht nur Geschäfte machen, sondern auch Meinungen bilden. Die Presse, hat er zuletzt im Januar in einem Interview erklärt, „ist interessant. Sie erlaubt es, gewisse Ideen und Orientierungen zu verbreiten.“ Dieselbe Strategie der politischen Einflussnahme auf Zeitungen entwickelte Serge Dassault schon vor zwei Jahren, als er mit 30 Prozent in das Kapital der Socpresse einstieg. „Ich sage nicht, dass die Journalisten vom Figaro zu links sind“, erklärte er 2002 im Fernsehen, „ich sage nur, dass sie die Wirklichkeit in den Unternehmen nicht genügend erklären.“

Öffentlichkeit und Regierung nahmen die neue Monopolbildung im Print-Medienbereich achselzuckend zur Kenntnis. In vielen Redaktionen hingegen herrscht seit Ankündigung der Aufstockung des Dassault-Kapitals Krisenstimmung. Bei der Voix du Nord im Grenzgebiet zu Belgien verlangen die JournalistInnen „Garantien für die Unabhängigkeit der Redaktion“.

Die linke Mediengewerkschaft Filipac-CGT analysiert: „Dassault investiert in die Medien, um ihren Inhalt zu diktieren.“ Die Gewerkschaft will jetzt europäische Institutionen anrufen, um die neue Kartellbildung in den französischen Medien doch noch zu verhindern.

Die Zeitungen der Gruppe Socpresse haben in vielen Regionen das Monopol. Im Grenzgebiet zu Belgien etwa können die LeserInnen zwar zwischen Voix du Nord und Nord Éclair wählen, halten aber in beiden Fällen ein Blatt derselben Gruppe in den Händen. Im Westen Frankreichs, wo der Socpresse unter anderem die Blätter Maine Libre, Presse Océane und Courrier de l’Ouest gehören, haben die Beschäftigten jetzt Existenzängste. Vor allem, weil die Einnahmen der Regionalpresse seit Jahren rückläufig sind. Viele Beschäftigte fürchten, dass er die besonders defizitären regionalen Blätter schließen oder radikal sanieren will.

Schon Jahre vor Dassault ist ein anderer Gigant der französischen Rüstungsbranche in die Medien eingestiegen. Die Gruppe Matra, die sich heute Lagardère nennt, kontrolliert unter anderem die Magazine Elle und Paris Match.