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Archiv-Artikel

Eine Regierung des Wechsels

Der Sieg der PSOE ist eine „Ohrfeige“ für die Politik Aznars. Wahlgewinner Zapatero verspricht mehr Transparenz und die Zustimmung zur EU-Verfassung

Zapatero will außenpolitisch reparieren, was Aznar in den letzten acht Jahren kaputtgemacht hat

AUS MADRID REINER WANDLER

Drei Tage nachdem 200 Menschen bei den terroristischen Anschlägen in Madrid ihr Leben verloren, ließen die spanischen Wähler die Umfragen Kopf stehen. Überraschend gewann die sozialistische Opposition unter Spitzenkandidat José Luis Rodríguez Zapatero am Sonntag die Parlamentswahlen – mit 42,6 Prozent.

Die PSOE, die sozialistische Arbeiterpartei Spaniens, erhält damit 164 Abgeordnete, 39 mehr als noch vor vier Jahren. Der Nachfolger des bisher regierenden Konservativen José María Aznar, Mariano Rajoy, schaffte es nur auf 37,6 Prozent. Seine Partei Partido Popular erzielte 148 Sitze, 35 weniger als bisher. „Rajoy steckt die Ohrfeige ein, die eigentlich Aznar galt“, erklärte ein TV-Sprecher den Wahlausgang.

Die Anschläge auf die Züge von Madrid und die Ereignisse rund um die Terrorattacken haben den Konservativen letztendlich die Macht gekostet. Die Absage der Bevölkerung an die Politik der PP war mehr als deutlich: Die Wahlbeteiligung stieg um 8,5 Prozent. Damit gingen zwei Millionen Spanier mehr an die Urnen als beim letzten Mal.

Viele haben ihre Stimme genutzt, um ihrer Wut über die Informationspolitik der Regierung in den Tagen nach dem Massaker von Madrid Luft zu machen. Das Innenministerium hatte bis zuletzt versucht, die Spuren, die zu al-Qaida führen, zu verheimlichen. „Lügner“, schallte es in den Wahllokalen den konservativen Politikern entgegen. Auch Aznars Unterstützung der USA spielte jetzt wieder eine Rolle: Mehrere Menschen trugen am Wochenende die Anstecker der großen Demonstrationen gegen den Irakkrieg. Gegen den Willen der Bevölkerung hatte die PP Spanien im vergangenen Jahr in den Krieg geführt. Die Spanier sind von der Regierung enttäuscht, auch die gute wirtschaftliche Lage sowie Fahndungserfolge gegen die baskischen Separatistenorganisation ETA konnte die PP nicht mehr retten.

Zapatero, dem bis Donnerstag keiner zugetraut hatte, die bisherige Regierungspartei auch nur annähernd in Verlegenheit bringen zu können, profitierte jetzt von seinem Versprechen, die Truppen aus dem Irak abzuziehen.

„Die Regierung des Wechsels wird verantwortungsbewusst mit Dialogbereitschaft und Transparenz handeln“, versprach Zapatero am Wahlabend. Er möchte mit einer Minderheitsregierung antreten. Um im Parlament die Mehrheit von 176 Stimmen zu erreichen, kann er viele Bündnisse schmieden, denn nach acht Jahren PP – und vor allem nach der letzten Legislatur, bei der Aznar mit absoluter Mehrheit regierte und alle anderen Parteien arrogant überging – gab es bei allen politischen Strömungen nur einen Wunsch: den nach der Ablösung der Konservativen.

Zum einen könnten die Sozialisten im spanischen Parlament das Drei-Parteien-Bündnis kopieren, mit dem sie in Katalonien regieren. Die kommunistische Vereinigte Linke (IU) hat zwar vier der bisher neun Sitze verloren, aber die linksnationalistische Republikanische Linke Kataloniens (ERC) gewann sieben Sitze dazu und zieht jetzt mit acht Abgeordneten ins spanische Parlament ein. Es besteht aber auch die Möglichkeit einer Zusammenarbeit mit den gemäßigten Nationalisten aus Katalonien (CiU) und von den Kanarischen Inseln (CC) mit ihren zehn und drei Abgeordneten. Beide Formationen haben Übung als Mehrheitsbeschaffer in Madrid. Sie halfen Aznar in seiner ersten Amtszeit und dessen sozialistischen Vorgänger, Felipe González, in seiner letzten Legislatur.

In Interviews am Tag nach der Wahl umriss Zapatero das Programm seiner Regierung. Außenpolitisch will er reparieren, was Aznar in den letzten acht Jahren kaputtgemacht hat. Als dringlichste Aufgabe verspricht er den Truppenabzug aus dem Irak „bis Ende Juni“. In Europa soll Spanien wieder an die Seite Frankreichs und Deutschlands rücken. „Wir werden so schnell wie möglich der EU- Verfassung zustimmen“, erklärt der Sozialist. Dieses Projekt war an Spanien und Polen gescheitert.

Zu Hause will Zapatero den Sozialstaat ausbauen und gleichzeitig die Steuerlast senken. Als dringlichste Aufgabe sieht er den Kampf gegen den Terrorismus. Anders als die PP will er die durch die Anschläge verursachte Krise „gemeinsam mit allen politischen Kräften“ meistern. Dazu will er möglichst bald alle Parteien zum Dialog laden. „Wir müssen uns gemeinsam dem Terror entgegenstellen“, bekräftigte Zapatero.