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Archiv-Artikel

Stell dir vor es wär‘ Krieg, und das Bild fiele aus

Medienkritisch zieht Falk Richter gegen den Irak-Krieg zu Felde. Das Junge Theater gestaltet seine Prosa zur mitreißenden Performance

Die Zuschauertribüne vibriert. Die Detonation, obgleich nur ein Geräusch vom Band, ist schmerzhaft laut, lang dehnt sich der Krach, läuft rückwärts, vorwärts, rückwärts: Unklar bleibt, ob gerade ein Kampfjet auf dem Boden des Jungen Theater zerschellt, oder aber einer seiner Sprengköpfe explodiert. Es ist Krieg, die akustische Wolke verhüllt die Fronten, und es tut sogar ein bisschen weh. Das Bild allerdings fällt aus.

Wenn der Krieg vorbei ist, verfliegt die Berichterstatter-Hysterie und der Zorn der Konsumenten verraucht. Darum es wichtig, dass er sich in manchen Medien konserviert, Form wird. Kunst ist eines davon, wie Stuart Rosenbergs ironische Kartografien von New Bagdad beweisen, Literatur ein anderes: So hat Elfriede Jelinek Anfang April „Bambiland“ online publiziert, und der junge Dramatiker Falk Richter, sogar noch vor Kriegsbeginn, „Sieben Sekunden – In God we trust“ verfasst. Sprachraumweit loten derzeit engagierte Ensembles in Leseperformances dessen szenisches Potenzial aus. Die Akteure des Zürcher Schauspielhauses etwa, oder die der Berliner Schaubühne. In Bremen hat sich das Junge Theater dieser weißglühend notierten Prosa angenommen.

Einzig kenntliche Figur in „Sieben Sekunden“ ist ein Familienvater und Bomberpilot im Dienste des ewigen Friedens. Eine hochgradig manipulierte Figur, oder, genauer, ein einziges Manipulat, das selbstverständlich in seinem Gehorchen ferngesteuert ist, aber auch in seinen heimeligen Erinnerungen – ans wahre Leben daheim zwischen Highway und Wüste. Dessen Monolog verwischt die Grenzen zwischen innerem und artikuliertem Sprechen, Reflexion und Angstschrei: Konsequent hat Carsten Werner ihn, analog zu den Gefühlsschablonen und den Rhythmen des Textes, auf acht Spielerinnen und Spieler verteilt: Anja Wedig – das Familienglück, Frank Albrecht – der coole Moderator, Lutz Gajewski – korrekt, besorgt, gewissenhaft.

All das sind, so vermittelt der Text, telegenormte Typen, entmenschte Menschen, Parodien: Im Grunde transportiert Richter wohlfeile Medienkritik. Die eigene Abhängigkeit von diesem Feind zu bekennen, dazu hätte es des Selbsthasses einer Jelinek bedurft, die freimütig bekennt, das der Stoff ihres „Bambiland“ von genau jenen angegriffenen „schlechten Eltern“ stammt – den Medien. Doch Theater muss nicht immer tiefer gründen. Die intensive Performance, chorisch wie gestisch exakt, weckt erneut den abgetanen Zorn. Und das ist ein wertvolleres Geschenk als eine kluge Analyse.

Benno Schirrmeister

Junges Theater, nur noch Samstag, 20.30 und 22 Uhr