bilanzen, teil 2 : Die Machtlose
„Christine Wischer macht keine Zicken. Deshalb will Henning Scherf sie auch behalten.“ So oder ähnlich lauten die bissigsten Kommentare über Christine, genannt: „Tine“ Wischer. Und es ist nicht nur der politische Gegner, der sie des vorauseilenden Gehorsams bezichtigt. Auch im eigenen Hause wünschen sich Mitarbeiter mehr Rückgrad an der Spitze.
Denn inhaltlich hätte sie das Zeug dazu. Die ehemalige Landesvorsitzende der SPD gilt als fortschrittlich und aufgeklärt. Sie hat die CarSharer gefördert, sich stark gemacht für Wind- und Sonnenenergie; in ihre Amtszeit fiel die Entscheidung für die Verlängerung der Linie 4 und für den Bau des Weser-Kraftwerks. Umweltverbände loben ihre Gesprächsbereitschaft, ihren Sachverstand und ihre Aufgeschlossenheit. „Es ist nicht so, dass sie vom anderen Stern käme“. Womöglich wäre Rot-Grün das Bündnis ihrer Wahl. Aber nach ihr geht es nicht, und darunter scheint sie nicht besonders zu leiden.
Gegen besseres Wissen, sogar gegen ihre Überzeugung hat sie zugelassen, dass die privatisierte Blocklanddeponie hinter die einst gesetzten Standards zurückfällt. Den Umgang des Senats mit den Flora-Fauna-Habitat-Richtlinien hielt sie aus fachlicher Sicht für unverantwortlich. In der entscheidenden Senatssitzung aber enthielt sie sich. „Die Umwelt hat keine Lobby“, sagen die Enttäuschten.
Dann wäre da noch die zweite Hälfte des Ressorts. Sie hat vollbracht, was ihr Vorgänger von der CDU, Bernt Schulte, begonnen hat: den Sturz des Bauressorts in die Bedeutungslosigkeit. Dem gnadenlosen Macht- und Macher-Anspruch des Wirtschaftsressorts hat sich Christine Wischer, die Machtlose, klaglos untergeordnet. Kein Einspruch gegen den vom Wirtschaftssenator eingefädelten Bau des Großmarktes in den ehemaligen Hafenrevieren, der jede künftige Nutzung dort dominieren wird. Kein Einspruch auch gegen eine vierspurige Straße durch das Rembertiviertel, das es dadurch schwer haben wird, zu einem attraktiven Wohnviertel zu werden. Auch wenn sie ’privat’ anders darüber denken mag: Sie legt sich nicht an mit denen, die das Heft der Sanierungspolitik in ihren Händen halten. Und wenn Wirtschaftssenator Josef Hattig (CDU) die LKW-Trasse wichtiger ist als ein urban angelegtes Wohngebiet, nun gut. Frau Wischer würde auch zu dieser Eröffnung gut gekleidet und gelaunt erscheinen.
Würde - denn Schmiegsamkeit ist vielleicht eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung, um Senatorin zu bleiben. So sicher ihr der Senatoren-Stuhl bis vor kurzem schien, so sehr ist er mittlerweile ins Trudeln geraten. Beim Postenschacher in einer neuen schwarz-roten Regierung könnte sie schneller weg vom Fenster sein als sie gucken kann. Menschen mit Kanten leben in der Politik gefährlich, Menschen ohne Kanten auch. Elke Heyduck