: Reisepass ins Gefängnis
Als Oppositioneller, der für die Unabhängigkeit Cabindas von Angola kämpfte, floh Pedro Afonso Nzimba (25) vor vier Jahren aus dem angolanischen Gefängnis nach Bremen. Jetzt soll er abgeschoben werden – zurück ins Kampfgebiet
taz ■ Als Ihnen der Sachbearbeiter auf der Ausländerbehörde am Donnerstag statt einer erneuten Duldung eine „Aufforderung zur freiwilligen Ausreise“ überreichte – was dachten Sie da?
Pedro Afonso Nzimba: Ich dachte: Innerhalb einer Woche kann man doch nichts organisieren, um in sein Heimatland zurückzukommen. Ich weiß gar nicht, wie ich ausreisen soll: Ich habe keine Papiere. Aber die Ausländerbehörde hat gesagt, sie hätten sie. Und wenn ich nicht innerhalb einer Woche zur International Organisation of Migration (IOM) ginge, würde die Polizei mich abholen und in Abschiebehaft nehmen.
Beängstigt Sie das?
Ich habe große Angst. Ich habe mein Heimatland verlassen, weil ich dort Probleme hatte, und nicht, weil ich irgendwo anders leben wollte.
Was befüchten Sie konkret?
Ich war in Angola drei Monate in Haft und bin dann aus dem Gefängnis geflüchtet und nach Deutschland. Ein Wärter hat mir beim Ausbruch geholfen. Der wusste, dass mein Bruder im Gefängnis ermordet wurde.
Warum hatte man Sie in Angola inhaftiert?
Ich war Mitglied der Jugendorganisation der FLEC-FAC. Die kämpft seit 1963 für die Unabhängigkeit der Exklave Cabinda. Die Polizei hat mich bei der Organisation einer Demonstration festgenommen und ins Gefängnis gesteckt.
Der Bürgerkrieg in Angola ist doch inzwischen beendet.
In Angola selbst, der Bürgerkrieg zwischen der MPLA und der Unitá: ja. Aber nicht in der ölreichen Exklave Cabinda nördlich des eigentlichen Angola. Dort sind immer noch die Truppen der MPLA-Unita-Regierung. Die besetzen Cabinda und kämpfen gegen die FLEC. Sowie ich da ankomme, werde ich denen ausgeliefert sein. Wahrscheinlich nehmen sie mich gleich am Flughafen fest. Ich bin auch in Deutschland zu allen Treffen der FLEC gegangen.
Sie leben seit vier Jahren in Bremen. Warum sollen Sie ausgerechnet jetzt ausreisen?
Ich weiß es nicht. An den Zuständen in Cabinda hat sich seit 1999, als ich geflohen bin, nichts geändert. Im April musste ich zu einer Botschafts-Anhörung in die Ausländerbehörde nach Dortmund fahren. Da hat der Vertreter der Ausländerbehörde gesagt: „Dein Asyl ist abgelehnt worden, du musst jetzt nach Angola zurück.“ Sie legten mir ein Papier vor, auf dem ich mich verpflichten sollte, bis Oktober freiwillig auszureisen. Aber das habe ich nicht unterschrieben. Im Nachhinein habe ich dann gehört, dass der Botschaftsangehörige ein paar Tage später nach Angola gereist und wohl jetzt am Wochenende zurückgekommen ist. Und jetzt fordert mich die Ausländerbehörde auf, mich innerhalb einer Woche um meine Ausreise zu kümmern.
Ihr Asylantrag wurde abgelehnt?
Schon 1999, kurz nachdem ich in Deutschland angekommen war. Ich hatte damals keinen Anwalt, und das Bundesamt hat mir anscheinend nicht geglaubt, dass ich in Angola inhaftiert gewesen war. Genau weiß ich es aber nicht. Ich hatte damals keinen Beweis dafür, dass ich in Angola festgenommen worden war. Ein Freund von mir in Luanda versucht noch, an die Prozessunterlagen heranzukommen.
Hatte man Sie vorher nie zur Botschaft geschickt, um Papiere ausstellen zu lassen?
Doch, ich musste schon zweimal zur Botschaft nach Bonn fahren. Beide Male hieß es, dass ich in Angola nicht registriert sei und daher auch keine Papiere bekommen könnte – folglich konnte ich nicht abgeschoben werden. Offensichtlich kriege ich jetzt Papiere.
Angenommen, Sie finden eine Lösung, wie Sie doch noch in Deutschland bleiben können ...
... dann hätte ich gerne eine bessere Aufenthaltsgenehmigung. Ich bin jetzt seit vier Jahren hier, darf aber nicht arbeiten.
Können Sie sich überhaupt vorstellen, nach Angola oder Cabinda zurückzukehren?
Wenn da eine andere Regierung wäre, wenn Cabinda unabhängig von Angola wäre, wenn da ein Friedensvertrag wäre, oder zumindest gewährleistet wäre, dass dort die Leute nicht mehr verfolgt werden – dann würde ich da gerne wieder leben. Aber im Moment, bei meiner Vorgeschichte, sehe ich nicht, wie ich da leben soll.
Interview: Armin Simon