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Archiv-Artikel

Der koloniale Charme der Plantagen

Eine Bahnreise durch das Hochland von Sri Lanka. Der Friede zwischen den buddhistischen Singhalesen und den hinduistischen Tamilen soll den daniederliegenden Tourismus wieder ankurbeln. Seit Dezember 2001 schweigen die Waffen

von KLEMENS LUDWIG

Rund um die Fort Railway Station im Herzen von Colombo herrscht früh am Morgen hektische Betriebsamkeit. Fliegende Händler versuchen noch schnell, ein Geschäft mit den Reisenden zu machen; Bettler hoffen auf milde Gaben; Kinder streunen scheinbar ziellos durch den Strom derer, die es zu den Zügen zieht. Der Zug ins Hochland ist nicht sonderlich überfüllt, die offenen Fenster gewähren Abkühlung, ohne dass man gleich den Staub und den Dreck förmlich auf der Haut spürt. Erster Anlaufpunkt ist die alte Königsstadt Kandy. Von dort geht es durch das Landesinnere bis nach Badulla, der Endstation in den Bergen.

Der moderne „Express-Zug“ benötigt mindestens zwölf Stunden für die 290 Kilometer von Colombo nach Badulla. Zunächst zeigt sich ein Asienreisenden vertrautes, idyllisches Bild. Auf ausgedehnten Reisfeldern folgen die Menschen gemächlich den Wasserbüffeln.Nach knapp drei Stunden fährt der Zug in Kandy ein. Die von Bergen umgebene Stadt ist eine Hochburg der buddhistisch-singhalesischen Kultur und Ziel großer Pilgerströme. Die Gläubigen suchen vor allem den Tempel Dalada Maligawa auf, in dem sich der linke obere Eckzahn Buddhas befinden soll. Zu sehen bekommt man allerdings nur einen Schrein, in dem irgendetwas liegt, eingewickelt in eine dicke Schicht kostbarer Tücher. Der Zahn soll aus der Asche des Erleuchteten geborgen und von einer Prinzessin im Haar nach Sri Lanka geschmuggelt worden sein, um ihn vor der Zerstörung in Indien zu retten. Jahrhundertelang war er zunächst in den alten Königsstädten Anuradhapura und Polonnaruwa untergebracht, doch nachdem sie von ausländischen Invasoren unterworfen worden waren, gelangte die Kostbarkeit nach Kandy.

Da sich mit Mythen vortrefflich Macht legitimieren lässt, ist der buddhistische Klerus von Kandy besonders einflussreich. Als es um die Aussöhnung mit den hinduistischen Tamilen ging, pilgerten die Politiker nach Kandy, um vom dortigen Klerus Unterstützung für ihren Kurs zu erbeten.

Für die Weiterfahrt über Kandy hinaus kann der „Observation Saloon“ reserviert werden, ein Panoramawagen am Ende des Zugs mit einer kompletten Glaswand und breiten Seitenfenstern. Die nach europäischen Maßstäben bescheidene Investition lohnt sich, denn hinter Kandy beginnt das, was Sri Lanka in der Welt berühmt gemacht hat: die Teeplantagen. Vom Zug aus betrachtet, fügen sie sich harmonisch in die Berglandschaft ein; ganze Hänge decken sie ein mit ihrem kräftigen Grün, dazwischen gelbe Akazien. Dabei ist diese Postkartenidylle eine künstlich angelegte Landschaft. Erst die britischen Kolonialherren holzten große Waldbestände ab und legten die Plantagen an. Lange Zeit war Tee der wichtigste Exportartikel des Landes, doch hat ihm die Textilindustrie inzwischen den Rang abgelaufen.

Auf die Teeplantagen folgen Lärchen,- Kiefern- und Rhododendronwälder, in denen üppige Farne wuchern. Dazwischen kleine und größere Orte mit bunten Märkten; hin und wieder eindrucksvolle Wasserfälle. Häufig hängt Nebel über den Bergspitzen, der dem Ganzen einen geradezu mystischen Charakter verleiht. So ist es kein Wunder, dass nicht weit von der Zugstrecke auch der heiligste Berg des Landes liegt, der Adam’s Peak, „Sri Pada“ in der Landessprache. Wer ihn besteigen will, muss in Hatton aussteigen und Bus oder Taxi bis Maskeliya nehmen, wo der Aufstieg beginnt. Er dauert vier bis sechs Stunden, und um ihn zu bewältigen, wurden 4.500 Stufen angelegt. Der kegelförmige Gipfel liegt schließlich in 2.243 Meter Höhe. Damit ist der Sri Pada („Edler Fuß“) nicht Sri Lankas höchster Berg, aber der mit Abstand populärste. Das liegt an dem Fußabdruck, der sich in dem Fels befindet. Für die Buddhisten war Buddha persönlich hier; die Hindus betrachten ihn als Erinnerung an den tanzenden Shiwa; Christen und Muslime sehen Adams Fuß darin; praktische Ökumene in einem Land, das lange als besonders tolerant galt.

Der Zug erreicht hinter Pattipola seine höchste Stelle auf 1.898 Meter. Dichter Bergwald, der zum Wandern einlädt, prägt die Umgebung. Die Endstation der Bahnstrecke wirkt verschlafen, als habe sich seit Beginn der Unabhängigkeit nicht viel verändert. Die Parkbänke und grünen Wärterhäuschen stammen noch aus der Kolonialzeit, zu der ein unbefangenes Verhältnis besteht. Schließlich ist der Teeanbau bis heute eine der wichtigsten Einnahmequellen hier.