: „ARD? Nee!“
Gestern Abend hat die Viva-Moderatorin Sarah Kuttner durch den deutschen Vorentscheid zum „Grand Prix“ geführt – ein innerer Monolog
„Och, Mann, Viva ist doch kein Medienkindergarten, sondern ein Sprungbrett, und das ist ja was anderes als ein Medienkindergarten. Ich habe nicht vor, ein Buch zu schreiben, zum Film zu gehen oder zu singen. Ich will Moderatorin werden.
Und wenn Viva ein Sprungbrett ist, dann nur zu einem nächsten Moderationsjob. ARD? Nee, ich bin ja nicht zum Casting gegangen, um dort den deutschen Vorentscheid zum „Grand Prix“ zu machen. Man hat beschlossen, dass ich das mache: Sarah, du moderierst den „Grand Prix“ mit. Weil das ’ne Kooperation mit dem NDR ist. Da muss ein Viva-Moderator dabei sein. Dass das für mich auch ein Test zu sein scheint, wird mir erst in den letzten Tagen bewusst. Auch Pilawa meinte, dass die ARD auch noch mal unter anderen Voraussetzungen auf diese Sache guckt. Das stört mich, das finde ich eigentlich nicht so gut.
Die ARD leidet unter Moderatorinnenmangel. Pilawa ist der Gipfel der Frische. Ich habe ja auch schon Gespräche mit dem ZDF wegen einer Sendung, bin da sehr vorsichtig und langsam. Beim selben Sender wie Carmen Nebel arbeiten? Hm. Und wenn alle etwas gut finden, macht man was falsch.
Die meisten Sachen, die Kult werden, werden das deshalb, weil sie abgefahren hässlich und kaputt sind – wie der „Grand Prix“. Warum sollten wir uns mit so was in Europa präsentieren? Dann soll auch keiner meckern, wenn sich Deutschland in den untersten Rängen befindet, das ist in Ordnung, dann macht Deutschland sein Kultgrandprixding, und die anderen können schön die Klappe halten.
Wenn’s nicht funktioniert, dann haben wir’s wenigstens probiert, hängt davon ab, wer da hinkommt, nachher werden das Scooter, und die gewinnen in Istanbul, weil die in Europa so viele Fans haben.
Ich würde mich ein bisschen schämen, denken, erst schicken wir Lou da hin, dann Scooter, dann müssen einen die Leute für bekloppt halten. Max, Max wäre in Ordnung, riesen Sympathiewerte. Nur ärgert mich, dass er die jahrelange Arbeit nicht hatte. Besser mal sechs Jahre lang nur so mittelerfolgreich sein, dann wäre er so weit. Castingshows? Wie doof ist das denn? Keiner von den richtig guten Musikern kommt über ’ne Castingshow, weil die da durchgeflogen wären, Oasis, Rolling Stones – die wäre bei DSDS durchgefallen. Wenn man leidenschaftlich ist, macht man das ohne Casting.
Mia ist auch so ’ne Sache, aber okay. Fast schämt man sich, allein diesen Satz zu sagen, Mist, eigentlich müsste es mir Leid tun: Ich heiße Sarah Kuttner, bin deutsch, es tut mir Leid, ich sage, es tut mir nicht Leid, obwohl wir sechs Millionen Juden vergast haben, aber dann fällt mir ein, ich war das nicht, mein Opa ist Jude, und der war das auch nicht, andere Opas waren das vielleicht, aber dafür kann ich auch nichts, mich haben nur seine Kinder zur Welt gebracht und so. Und irgendwann hat man sich genug geschämt, dafür kann man sich sowieso nicht entschuldigen. Aber jetzt bin ich vom Thema abgekommen.
Wo war ich stehen geblieben? Ach, beim „Grand Prix“ und den Sendern und so. Tolle Erfahrung? Nee. Ich werde so froh sein, wenn es vorbei ist, weil es mich so unter Druck setzt. Nicht wegen der ARD, sondern weil es so ungeplant ist, weil nicht einmal Ähs erlaubt sind, unglaublich schwammig dieses Interaktiv, weil es sitzen muss, der Text, Fegefeuer, ich will den Inhalt im Kopf haben, weil’s blöd ist, unvorbereitet da reinzugehen, in so ’ner Sendung fallen Versprecher ins Gewicht, weil das schauen ja Leute, die nur Pilawa gewöhnt sind, der sehr bedacht spricht, ich aber rede einfach und erzähle keine Texte. Werde wahrscheinlich unglaublich viel aufs Maul kriegen. Aber das ist nicht schlimm, damit muss ich leben. Ich finde mich selten richtig gut.“ IM VORFELD NOTIERTVON: JAN FEDDERSEN