Müntefering im roten Bereich

Nur Björn Engholm war zuletzt besser: Überwältigende Mehrheit für Franz Müntefering bei der Wahl zum neuen SPD-Chef. Generalsekretär Benneter erreicht dagegen weniger als 80 Prozent

BERLIN taz ■ „Erst das Land, dann die Partei“, so setzte Franz Müntefering gestern auf dem SPD-Parteitag in Berlin die Prioritäten. Zumindest die Partei hat er gestern gewonnen. Nach einer mitreißenden Rede stimmten 95,1 Prozent der Delegierten seiner Wahl zum neuen Vorsitzenden der SPD zu. Der scheidende Parteichef Gerhard Schröder hatte dagegen im letzten November nur noch 80,8 Prozent erhalten. Ein noch besseres Ergebnis erzielte vor 13 Jahren ein Mann, an den die Genossen wohl nur ungern erinnert werden: Björn Engholm kam 1991 auf 97,4 Prozent.

Eher dürftig fiel dagegen das Ergebnis der Wahl des neuen SPD-Generalsekretärs aus. Der weitgehend unbekannte Bundestagsabgeordnete Klaus-Uwe Benneter kam nach einer emotionslosen Rede nur auf 79,5 Prozent. Benneter löst Olaf Scholz ab, der seinen Posten zur Verfügung gestellt hatte.

Müntefering schwor seine Partei auf den Reformkurs von Bundeskanzler Schröder ein. „Die Opposition ist Mist. Lasst das die anderen machen. Wir wollen regieren“, erklärte der 64-Jährige. „Wir schaffen das, wenn wir die Lage ehrlich einschätzen, wenn wir kämpfen, wenn wir uns unterhaken“, so Müntefering auf dem Sonderparteitag.

Der neue SPD-Chef machte deutlich, dass an der Agenda 2010 nicht gerüttelt werde. „Es wird so nicht sein, dass wir einfach unseren Sozialstaat behalten können“, sagte er. Seine eigene Generation habe sich zu lange an das vermeintliche Naturgesetz gewöhnt, dass es immer Wachstum geben werde.

Den Bundeskanzler versicherte Müntefering seiner unbedingten Unterstützung: „Du wirst Kanzler der Bundesrepublik Deutschland sein“, sagte er zu Schröder gewandt. Er werde alles tun, „was ich dafür tun kann, weit über das Jahr 2006 hinaus“. Inhaltlich kündigte Müntefering Schritte in Richtung auf eine Bürgerversicherung an. Außerdem verteidigte er Pläne zur Einführung einer Ausbildungsplatzabgabe und bekannte sich zur Tarifautonomie. Er wolle als Parteichef dazu beitragen, „den Kapitalismus zu zivilisieren“.

Schröder warb bei seinem letzten Auftritt als Parteichef um Rückhalt für die Reformen. Änderungen lehnte er ab. „Wir halten Kurs. Was beschlossen ist, wird nicht verändert.“ Die Partei dürfe wie schon öfter in ihrer 141-jährigen Geschichte auch diesmal nicht vor einer „historischen Aufgabe“ davonlaufen. Schröder gestand ein: „Ich war für viele kein leichter Vorsitzender.“ KLH

brennpunkt SEITE 3meinung und diskussion SEITE 11