Hier sind die Roboter

Dem Kölner DJ und Elektronikproduzenten Dr. Walker sind die Einstürzenden Neubauten immer schon näher als Kraftwerk gewesen. Jetzt stellt er in der Galerie Xenado Roboterskulpturen aus, die er aus Müll bastelt, den er am Strand von Kreta findet

VON ANDREAS HARTMANN

Kölner DJs sind normalerweise feingliedrige anämische Jungs, die früher womöglich Popper waren. Dr. Walker, einer der dienstältesten Mitstreiter der Kölner Technoschule, ist das genaue Gegenteil. Er läuft herum, wie man sich im Allgemeinen einen Cyberpunk vorstellt. Auch in der Galerie Xenado, wo er seine „Roboterskulpturen“ ausstellt, ist er ganz der Dr. Walker, wie man ihn kennt. An den Fingern seine gusseisernen Totenkopfringe, deren Gewicht wahrscheinlich das Hanteltraining ersetzt, dazu Ganzkörpercamouflageanzug, unter dem die Wadentattoos herausschauen, kahlrasierter Schädel. Im Verlauf der Ausstellung wird Walker weitere Roboterskulpturen bauen, das Ganze ist als work in progress angelegt, und dazu wird er mehr Kölsch trinken, als jeder Berliner verträgt; auch bei der Wahl seines Lieblingsgetränks bleibt der Mann sich treu.

Skulpturen aus Müll, wie sie von Walker gefertigt werden, sind nun bestimmt nichts Neues, sogar auf dem Weihnachtsmarkt am Marheinekeplatz in Kreuzberg sind sie angekommen, und dort spucken sie sogar Feuer. Das haben die Dinger von Walker nicht drauf. Sie sehen nur ein wenig so aus, als könnten sie was, als gäbe es irgendwo einen Knopf an jedem einzelnen dieser eigenwillig geformten, silberchrom glänzenden Objekte, und schon könnte man seine eigene kleine Schlacht der Terminatoren nachstellen. Ist aber nicht so. Man kann sich nur vorstellen, was diese Geräte, wären sie echte Gadgets, so drauf hätten. Das Schädelding würde seinen Gegner mit seinem Laserblick zu Brei schmelzen, der Robocop im Panzerdesign würde selbst Tresortüren durchballern können, und die Figur, die aussieht wie eine tanzende Banane, nun ja, da muss man sich noch was Passendes überlegen.

Vor ein paar Jahren, in Kreta, ist Dr. Walker darauf gekommen, aus Müll Skulpturen zu formen. Der Abfall, der die Touristeninsel überschwemmt, habe sozusagen danach verlangt, sinnvoll wiederverwendet zu werden. Ökoambitionen sollte man einem wie Dr. Walker jedoch nicht nachtragen, es geht wohl eher um das Kaputte, das wiederverwerteter Müll ausstrahlt, letztlich um den guten alten Grundgedanken der Industrialästhetik, die dem Schrecken einer Industriegesellschaft nicht ausweichen, sondern ihn in den Mittelpunkt ihrer künstlerischen Arbeiten setzt.

Von Schrott und Schrottkunst war Dr. Walker schon immer beeinflusst. Und auch von Robotern, die immer wieder gerne mit Müll in Verbindung gebracht werden – man denke nur an den Roboterfriedhof in Steven Spielbergs „AI“ oder an Wall-E, den Müllentsorgungsroboter aus dem gleichnamigen Pixar-Film – sowieso. Für sein Technoduo Air Liquide, das er zusammen mit Jammin Unit betreibt, genauso wie in seinen unzähligen Soloprojekten, sei der Einfluss der Einstürzenden Neubauten, dieser Schrottmusiker, immer schon größer gewesen als der Kraftwerks, sagte Walker einmal. Und schon ein Air-Liquide-Track aus dem Jahr 1995 hieß „Theme from robot wars“. Ein wenig hat man das Gefühl, einzelne Air-Liquide-Techno-Tracks, diese schlierig rockigen, oft Acid-verseuchten Klangungetüme, würde man hier in der Ausstellung eben in Objektform wiederfinden.

Natürlich ist das, was Dr. Walker da zusammenwerkelt, absolute Jungskunst. Panzer, Schädel, Fantasy, Science-Fiction, „Star Wars“, dafür interessieren sich mehrheitlich Jungs und eben Männer, die bekanntlich immer ein wenig Jungs bleiben. Doch die dem Futurismus entlehnten Kriegs- und Zerstörungsmetaphern werden immer ironisch gewendet und entmännlicht, schließlich wirken die Roboter weniger martialisch denn putzig und durchaus weihnachtsgeschenktauglich; niedliche Namen haben sie auch. Da gibt es den „Preacherbot“ und den „Gonzobot“, den „Rastabot“ und natürlich „JX3P“. Letztlich sind die Arbeiten Walkers denen, die an den Wänden der Galerie Xenado hängen und von der mit Walker befreundeten Künstlerin Claudia Rey aus Sao Paulo stammen, gar nicht so unähnlich. Anfangs ist man ein wenig irritiert und fragt sich, was deren grellbunte Computergrafikkunst, auf der sich Icons tummeln und japanische Spielzeugfiguren mit mangagroßen Augen, denn mit Walkers Schrottskulpturen gemein haben. Doch diese Collagen und Soundskulpturen bilden ebenfalls die Popkultur ab, aus der Walker seine Ideen für die Roboter geschöpft hat. Und der Müll, aus dem seine Objekte sind, der war schließlich auch einmal ein buntes Vielerlei.

Dr. Walker, Roboterskulpturen aus Müll und Lack. Zusammen mit Claudia Reys „Mixed Media on Paper“ in der Galerie Xenado, Choriner Straße 79, Prenzlauer Berg. Am 19. 12. Abschlussveranstaltung im Club Relais mit Liveauftritt von Air Liquide und Andrea Parker