: Nicht mehr weit vom Schuss
Der Senat will das Naturschutzgebiet Duvenstedter Brook dauerhaft für die Jagd freigeben. Der Umweltverband Nabu spricht sich dagegen für eine flexible Regelung aus
von CHRISTINE KEILHOLZ
Jedes Jahr im September veranstalten hier die Hirsche ein Spektakel mit Volksfestcharakter. Die Brünftigen bemühen sich mit Kampf und Imponiergehabe um Fortpflanzung und schaffen so ein Event, mit dem die Stadt für die naturbelassene Wildheit des Duvenstedter Brooks wirbt. Nebenbei verleihen seltene Pflanzen und Lebensräume dem großen Naturschutzgebiet im Nordosten Hamburgs einen besonderen Reiz.
Weder die brunfenden Hirsche noch die empfindlichen Torfmoospolster werden nach Ansicht des Naturschutzbundes (Nabu) jedoch Gefallen daran finden, dass hier demnächst intensiv geballert wird. Denn der Schwarz-Schill-Senat will die Jagdausübung im Duvenstedter Brook „erheblich und dauerhaft zulassen“.
Generell sind Naturschutzgebiete „jagdbefreit“, Ausnahmen müssen genehmigt werden. Diese Ruhe weit vom Schuss hat das Wild im Brook zutraulicher und zahmer werden lassen als anderswo – namentlich die Rothirsche, unter denen sich die stattlichsten Exemplare Norddeutschlands befinden. Der jetzige Bestand stammt von Tieren ab, die in den 30-er Jahren zur Jagd gezüchtet und hier ausgesetzt wurden.
„Wir stimmen grundsätzlich der Jagd auf Rot-, Dam-, Reh- und Schwarzwild zu“, sagt Stephan Zirpel, Geschäftsführer des Nabu, „da für sie in unserer Landschaft keine natürlichen Feinde mehr vorhanden sind.“ Trotzdem lehnt er die Änderung der Naturschutzverordnung für den Duvenstedter Brook ab: Statt wie geplant dauerhaft solle die Jagd lediglich befristet zugelassen werden. Wenn sich durch eine positive Entwicklung des Gebietes in den kommenden Jahren dort neue Tierarten einstellten, müssten die Regeln zur Jagdausübung schnell geändert werden können, findet der Nabu. Mit einer neuen Verordnung würden dagegen die Jagdzeiten und -bedingungen auf Jahre hinaus zementiert.
Unverständlich ist Zirpel, warum die Forstbehörde die Änderung der Naturschutzverordnung gerade jetzt und derart vehement vorantreibt, obwohl die Naturschutzverbände, Behörden und Jäger sich bereits auf einen naturverträglichen Kompromiss zur Jagd im Brook geeinigt hätten. Zirpel: „Die Bejagung in so einem so sensiblen Gebiet von internationaler Bedeutung muss mit Rücksicht auf die störungsempfindliche Tier- und Pflanzenwelt erfolgen.“
Eine gezielte Bejagung von Schwarzwild außerhalb der Schutzgebiete sei beispielsweise ratsam. Der Wildschweinbestand sei einfach zu groß, und die Schäden auf Feldern seien derzeit enorm. Dennoch dürften nach Ansicht Zirpels die besonderen Privilegien des Naturreservoirs Duvenstedter Brook keineswegs zu Gunsten einer Interessengruppe – der Jäger – angetastet werden.
Andernfalls könnte es bald wieder vorbei sein mit den Kranichen, die seit einiger Zeit im Duvenstedter Brook brüten. Die Naturschützer rechnen sich das als Erfolg an, den sie nicht verspielen wollen.