schmickler macht ernst : Kontrolle isst besser!
WILFRIED SCHMICKLER: Der Mann mit der Axt holzt für die taz
Seit Wochen macht der Rat der Stadt Köln das, was einen richtigen Rat auszeichnet, er rätselt! Frage: Welche Geschenke und Einladungen darf ein Politiker annehmen und welche nicht, bzw. wo hört der Spaß auf und wo fängt die Bestechung an? Und weil die Damen und Herren Mandatsträger in dieser Frage scheinbar jede Orientierung verloren haben, basteln sie zur Zeit an einem „Leitfaden“, der ihnen den rechten Weg weist im Labyrinth von Klüngel und Korruption.
Und dabei geht es vor allem um die drei großen Versuchungen eines ehrbaren Volksvertreters: Fresskörbe, Freikarten und Arbeitsessen. Wobei ich mich in allen drei Fällen frage, was das mit „Vorteilsnahme“ zu tun haben soll. Nehmen wir den gemeinen Fresskorb, den Albtraum jedes Tombola-Teilnehmers. Ein riesiger in Zellophan gehüllter Haufen Geschmacklosigkeit, dessen unsichtbarer Teil gefüllt ist mit Stroh oder Packpapier und der ansonsten aufwartet mit so erlesenen Köstlichkeiten wie Rügenwalder Teewurst jenseits des Verfallsdatums, taiwanesischen Altöl-Sardinen im Quecksilber-Sud und zuckersüßer Deinhardt-lila-Plörre. Wer meint, mit diesem klaren Fall für die Sondermülldeponie könne man ein Mitglied des Rats der Stadt Köln bestechen, der muss sich nicht wundern, wenn er für immer und ewig von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen bleibt.
Gleiches gilt für die Freikarten. Denn hier ist doch die entscheidende Frage: Freikarten wofür? FC? Haie? Rhein-Energie-Korbball? Warum nicht gleich Adler Dellbrück oder Borussia Hohenlind? Ein Besuch bei diesen Loser-Vereinen führt in der Regel nur zu schlimmen Depressionen und abgrundtiefer Verzweiflung. Da ändern dann auch die durchgeweichten Mett-Brötchen in der VIP-Lounge nichts mehr.
Und schließlich die Arbeitsessen. Da liegt zur Zeit die Grenze bei einem Gegenwert von 100 Euro. Mein Gott! Für hundert Euro, da kriegen Sie bei einem normalen Kölner Spitzenbrutzler gerade mal das Brotkörbchen und ein Glas Leitungswasser. Und überhaupt, wie sagt der Kölner CDU-Fraktionschef Karl Jürgen Klipper: Wenn es nicht mehr möglich sei, dass er von einen Investor in einem Drei-Sterne-Restaurant zum Essen eingeladen werde und dabei „200 Arbeitsplätze“ nach Köln holen könne, „dann führt das dazu, dass ich zu Hause bleibe und nichts mehr tue“. Das will doch keiner!
Also: Lassen wir die Knolle im Dorf und den Leitfaden im Papierkorb. Wenn ein Ratsmensch nicht mehr selbst entscheiden kann, wo die Grenze der Korruption liegt, dann verdient er eh die Höchststrafe: Freikarten für ein Heimspiel des FC und einen Fresskorb pro Halbzeit. Und anschließend kontrolliert Oberbürgermeister Fritz Schramma, ob auch alles schön aufgegessen wurde. Vertrauen ist gut, Kontrolle isst besser!